Behaupte Dich gegen Mobbing-Tag

Mobbing am Arbeitsplatz? Hilfreiche Strategien für Betroffene

Am Arbeitsplatz treffen viele unterschiedliche Menschen zusammen. Dass es hier hin und wieder zu Konflikten kommt, liegt in der Natur der Sache. Wie soll man sich aber verhalten, wenn ein Konflikt eskaliert, ein Kollege schikaniert wird oder sich mehrere Mitarbeiter zusammentun, um gemeinsam gegen einen Kollegen Stimmung zu machen? Und wo findet man Hilfe, wenn man selbst betroffen ist?

Der „Behaupte-dich-gegen-Mobbing-Tag“ am 22. Februar 2019 möchte ein klares Statement für ein friedliches Miteinander setzen – eine Initiative, die wir von head for work gerne unterstützen. Im nachfolgenden Beitrag erfahren Sie, woran Sie eine Mobbingsituation im Job erkennen und was Betroffene tun können.

Wenn aus einem Konflikt Mobbing wird

Mobbing im Betrieb ist eine hocheskalierte Auseinandersetzung mit dem Ziel, einen Menschen zur Kündigung zu bewegen bzw. aus der Abteilung oder dem Unternehmen zu „vertreiben“. Hinter den Attacken steckt ein System, d.h. hier geht es darum, einen Kollegen durch destruktives Verhalten gezielt zu demotivieren. Die Schikanen und Angriffe beziehen sich dauerhaft und ohne plausible Gründe auf eine einzelne Person und sind geprägt durch Respektlosigkeit und offen gezeigte Abneigung. Selbst wenn der oder die Betroffene bereits psychisch verletzt ist, lassen die Mobber nicht von ihren Angriffen ab.

Typische Mobbingstrategien sind z.B. regelmäßige Schikanen, das Verbreiten falscher Tatsachen, andauernde Kritik, die Zuweisung sinnloser Aufgaben sowie soziale Isolation. Auch physische und sexuelle Gewalt können vorkommen.

Nicht immer sind es die Kollegen einer Hierarchieebene, die mobben – beim sogenannten Bossing nutzen Führungskräfte ihre Machtposition aus, um untergebene Mitarbeiter durch Schikanen zur Kündigung zu bewegen.

Gravierende gesundheitliche Folgen

Dauerhafte Schikanen im Job machen krank. Wer über einen längeren Zeitraum Mobbingattacken am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, hat ein höheres Risiko für Depressionen, Angststörungen und Störungen des seelischen Gleichgewichts als Folge des Dauerstresses. Das Risiko, eine Angina Pectoris, einen Herzinfarkt oder auch einen Schlaganfall zu erleiden, ist bei Mobbingerfahrungen deutlich erhöht. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Statistikdienstleisters IMS Health.

Ursachen für das Entstehen einer Mobbingsituation

Unterschiedliche Faktoren müssen zusammenspielen, damit aus einem Konflikt eine Mobbingsituation wird. Diese Konfliktform gedeiht besonders gut in Betrieben, in denen der Stellenwert von wertschätzender Kommunikation, Personalentwicklung und einer positiven Führungskultur eher gering ist. Kommt noch eine mangelhafte Arbeits- und Betriebsorganisation hinzu, so ist das Risiko groß, dass auftauchende Konflikte verstärkt statt gelöst werden. Auch eine Unternehmenskultur, in der hoher Leistungsdruck und die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder Konkurrenz vorherrschen, begünstigt das Entstehen von Konflikten mit Mobbingcharakter.

Täter und Opfer – zwei Seiten der Medaille

In der Umgangssprache werden häufig die Begriffe „Täter“ und „Opfer“ verwendet. Auch wenn es hier ganz offensichtlich einen Angreifer und einen wehrlosen Betroffenen gibt, helfen pauschale Rollenzuweisungen bei der Lösungsfindung nicht weiter.

In jedem Konflikt gibt es Beteiligte sowie auslösende und verstärkende Rahmenbedingungen und Strukturen. Die Suche nach einem Schuldigen bzw. demjenigen, der den Konflikt „angefangen“ hat, ist zwar menschlich verständlich, führt aber letztendlich in eine Sackgasse.

Eine typische „Mobbingpersönlichkeit“ gibt es nicht – auch Führungskräfte können Mobbingattacken ausgesetzt sein oder selbst zum Mobber werden. Daher haben Angegriffene auch keine Schuld an der Situation – wohl aber eine Verantwortung sich selbst gegenüber, ebenso wie der Angreifer sich für das, was er einem Menschen antut, verantworten muss. Wer dauerhaft schikaniert wird, braucht vor allem nachhaltige Strategien, um sich wieder als Gestalter des eigenen Lebens zu erleben. Die Opferrolle ist dabei wenig hilfreich, da hier die Verantwortung für die eigene Situation ausschließlich beim „Täter“ liegt.

Immer geht es um Ohnmacht

Das vorherrschende Gefühl in einer Mobbingsituation ist eine tiefe Ohnmacht – die Verzweiflung, sich gegen verletzende und zutiefst unwürdige Attacken nicht wehren zu können und anderen hilflos ausgeliefert zu sein. Das Selbstwertgefühl leidet massiv, weshalb es Mobbingbetroffenen meist nicht möglich ist, die Situation aus eigener Kraft zu bewältigen.

Der Angreifer befindet sich zwar augenscheinlich in der stärkeren Position, handelt jedoch ebenfalls aus einer tiefen, unbewussten Ohnmacht heraus. Sogenannte „Mobber“ haben es nämlich nicht gelernt, in angemessener Form Konflikte zu lösen und versuchen daher, ihrer inneren Hilflosigkeit durch destruktives Verhalten zu entkommen. Ein Mensch, der mobbt, hat ebenfalls tief sitzende Ängste – die Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor Statusverlust oder paradoxerweise auch die Angst, wehrlos zu sein. „Täter“ und „Opfer“ sind daher einander ähnlicher, als sie es wahrhaben wollen. Im Grunde genommen geht es immer um unbewusste Ängste, mangelnde Konfliktlösungsstrategien und ein Gefühl von Ohnmacht – was auch für das betriebliche Umfeld und die beteiligten Führungskräfte gilt, die die Mobbingsituation begünstigen.

Was Betroffene oder Kollegen tun können

Wer sich am Arbeitsplatz schikaniert fühlt, sollte auf keinen Fall darauf warten, dass sich die Situation von selbst ändert, denn das ist leider so gut wie nie der Fall. Wer betroffen ist, sollte daher proaktiv vorgehen und sich Unterstützung holen.

Führungskräfte haben eine Fürsorgepflicht und sind gesetzlich verpflichtet, bei Mobbing einzugreifen und dieses zu unterbinden. Falls die Führungskraft selbst das Problem ist, so ist der nächsthöhere Vorgesetzte oder die Geschäftsleitung der Ansprechpartner.

Gerade zu Beginn können Konflikte durch eine Aussprache der Beteiligten entschärft oder sogar gelöst werden. Es empfiehlt sich, dabei eine neutrale Person als Vermittler oder Moderator hinzuzuziehen. Da die eigene Führungskraft allzu oft auch Bestandteil des Konfliktes ist, ist sie für diese Rolle nicht immer geeignet.

In größeren Unternehmen sind der Betriebs- oder der Personalrat, der Betriebsarzt oder auch der Betriebsobmann bzw. die -frau wichtige Anlaufstellen, die unverbindlich informieren und zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Unter Umständen begleiten sie sogar bei Gesprächen.

Unterstützung außerhalb des Betriebes

Gibt es im Betrieb keine Anlaufstellen, so helfen Mobbing-Beratungsstellen, die von Gewerkschaften, Sozialverbänden oder auch von Kirchen unterhalten werden. Dort erarbeiten Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter und Juristen gemeinsam mit den Betroffenen nachhaltige Konfliktlösungen. Fachanwälte für Arbeits- und Sozialrecht bieten Beratung bei einer Klage sowie der Auflösung und Kündigung des Arbeitsvertrages.

Freiraum für Selbstfindung und Klarheit schaffen

Um eine Lösung für die verfahrene Situation zu finden, braucht es Abstand vom belastenden Arbeitsalltag. Im Ernstfall wird ein Arzt bei akutem Mobbingstress auch eine Krankmeldung ausstellen. Diese löst natürlich nicht das Problem, sie verschiebt es nur. Die Zeit der Krankschreibung sollte daher genutzt werden, um die Ursachen der Situation anzupacken und sich Hilfe zu holen.

Eine fachkundige Unterstützung durch einen Coach, psychologischen Berater oder auch Therapeuten hilft dabei, das Erlebte zu verarbeiten, die eigene Rolle zu klären und eine neue Perspektive einzunehmen. In speziellen Mobbing-Selbsthilfegruppen können sich Betroffene helfen und gegenseitig motivieren.

Ein Kollege oder Kollegin wird gemobbt? Was Sie tun können

Mobbingattacken leben davon, dass einige mitmachen und viele wegsehen. Wenn Sie feststellen, dass ein Kollege oder eine Kollegin in Ihrem Umfeld gemobbt wird, ist es daher gut, wenn Sie hinschauen.

Für engagierte Kollegen lauern hier jedoch einige Fallen. Der Helfer läuft nämlich in Gefahr, die „Retter-Rolle“ einzunehmen und sich dadurch in das Täter-Opfer-Drama hineinziehen zulassen, wodurch sehr schnell ein emotional hoch belastendes Täter-Opfer-Retter-Drama entstehen kann.

Als Kollege sollten Sie daher unbedingt versuchen, eine neutrale Perspektive beizubehalten und nicht den Anspruch zu haben, als Retter für das Gute in einen Kampf gegen das Böse zu ziehen. Ermutigen Sie den Betroffenen und bieten Sie Unterstützung und Gespräche an, aber vermeiden Sie es, ihm die Eigenverantwortung abzunehmen.

Sehr viel zielführender ist es, ruhig und besonnen zu bleiben, fachkundige Hilfe zu organisieren und die Verantwortung dort zu lassen, wo Sie hingehört – bei den Führungskräften und den Betroffenen selbst.

Jobwechsel als letzter Ausweg?

Wenn Sie selbst betroffen sind und es in Ihrem Betrieb gar nicht weitergeht, kann auch ein Jobwechsel der richtige Weg sein. Eine Kündigung ist keine persönliche Niederlage, sondern auch die Basis für einen Neustart.

Und Hand aufs Herz: Welcher Sinn liegt darin, dauerhaft in einem Unternehmen arbeiten, dass Ihnen überhaupt nicht guttut?

Wer sich innerlich erfolgreich aus der Täter-Opfer-Dynamik befreit hat, wird wieder zum Gestalter des eigenen Lebens. Meist ändert sich dann auch das Lebensumfeld gravierend. Eine neue berufliche Herausforderung sind dann die Flügel des neugewonnen Selbstbewusstseins.

Quelle: aerzteblatt.de

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