Corona-Krise – Die Angst vor dem Jobverlust

„Niemand in Deutschland soll seinen Job wegen Corona verlieren“, sagte noch jüngst der SPD Generalsekretär Lars Klingbeil. Die Realität sieht allerdings bereits heute anders aus und in vielen Branchen fürchten Menschen um die Zukunft ihrer Jobs: Restaurants und Hotels sind geschlossen, Flugreisen unmöglich, durch Geschäfte bummeln gehört vorerst zur Vergangenheit. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine Sonderorganisation der UN, befürchtet, dass als Folge der Pandemie, die Zahl der Arbeitslosen weltweit steigen wird und spricht von bis zu 25 Millionen Menschen ohne Job. Quelle: (https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-25-millionen-menschen-koennten-wegen-corona-krise.1939.de.html?drn:news_id=1111910Das wäre mehr als nach der Finanzkrise 2008.

Neben Fluggesellschaften und dem Tourismus, dürften auch Autobauer, Banken, und Luxusartikel von der Krise betroffen sein. Quelle: (https://www.focus.de/finanzen/boerse/konjunktur/konjunktur-erlahmt-job-angst-in-deutschland-wie-sich-das-virus-auf-die-branchen-auswirkt_id_11781935.html)

Auch die Unterhaltungsindustrie trifft es hart: Kinoblockbuster wie der neue James Bond werden verschoben, ebenso wie der Dreh von Fernsehserien, weil das Risiko zu hoch ist. Theater, Kinos und Konzertsäle bleiben zu.

Personalberater bekommen jetzt schon Anfragen, da Kandidaten früher als erwartet wieder für den Markt zur Verfügung stehen. Und die ersten berichten von Freunden oder Bekannten, denen im Zuge der Krise gekündigt wurde. Ich sehe das zum Beispiel gerade in Großbritannien, wo einige große Ketten von heute auf morgen nicht nur die Filialen geschlossen, sondern auch direkt die Mitarbeiter auf die Straße gesetzt haben – ohne Unterstützungsangebote. Einige Twitter-Accounts dokumentieren gerade diese Fälle: „Name and shame“. Gleichzeitig schürt das natürlich auch die Angst anderer Arbeitnehmer: Wer ist als nächstes dran?

Existenzangst: Freiberufler und Familien

Ich sitze gerade in Quarantäne meiner Wohnung und beobachte wie ein Auftrag nach dem anderen auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Freiberufler wird die Corona-Krise hart treffen und die psychische Belastung, die dadurch entsteht, sollte man nicht unterschätzen. Für viele kommt in den kommenden Wochen und Monaten einiges zusammen: Leben auf engem Raum mit eingeschränkten Sozialkontakten. Angst vor der Krankheit, Angst wie es mit dem Job weitergeht.

Dazu kommt für viele die Frage der Kinderbetreuung, wenn die Schule dicht ist und zumindest ein Elternteil seinen Job hinten anstellen muss. „The Atlantic“ betitelte jüngst die Corona-Krise als ein Desaster für den Feminismus. Quelle: (https://www.theatlantic.com/international/archive/2020/03/feminism-womens-rights-coronavirus-covid19/608302/) „(…) one of the most striking effects of the coronavirus will be to send many couples back to the 1950s. Across the world, women’s independence will be a silent victim of the pandemic.“ Frauen würden häufiger in Teilzeit arbeiten oder seien im Beruf schlechter bezahlt. Müssten sich Paare daher entscheiden, wer Vollzeit im alten Job weiterarbeitet und wer sich während der Krise um die Kinder kümmert, falle die Wahl oft auf die Frau. Aus rein finanziellen Gründen. Auch das bringt zusätzliche Unsicherheit: Wie geht es dann nach der Krise weiter? Ist es problemlos möglich, wieder voll in den Beruf einzusteigen, wenn die Schulen und Kindergärten öffnen? Oder bringt Corona den befürchteten Karriereknick, von dem man sich nie wieder erholt?

Mentale Gesundheit in Krisenzeiten

So sehr die körperliche Gesundheit derzeit an erster Stelle steht: Bereits in China hatte sich gezeigt, dass COVID-19 nicht nur gesundheitliche, sondern auch psychosoziale Folgen hatte: Angstzustände, Depressionen oder Schlafprobleme waren eine Folge der anhaltenden Quarantäne. Quelle: (https://www.bmbf.de/de/corona-quarantaene-kann-angstzustaende-ausloesen-11142.html)

Welche mentalen und psychologischen Folgen das auf lange Frist hat, ist noch überhaupt nicht abzusehen.

Nicht umsonst ist es trotz „Ausgangssperre“ weiterhin erlaubt, draußen spazieren zu gehen oder zu laufen. Gerade auf mittelfristige Sicht ist also auch die mentale Gesundheit entscheidend. Und dazu gehören klare Ansagen, wie es beruflich weiter geht. Einer meiner Kunden lässt beispielsweise gerade nur tröpfchenweise Informationen durchsickern. Da erwähnt einer nebenbei die Krisensitzung, ein anderer Zwangsurlaub. Ohne genaue Ansagen aber hängen Mitarbeiter und Partner in der Luft. Nicht nur finanziell, sondern auch mental.

Daher ist nicht nur die Politik gefragt, Lösungen wie Kurzarbeit zu schaffen und zu unterstützen, sondern auch Unternehmen, indem sie

A. die nötige Flexibilität mitbringen, um zum Beispiel Mitarbeitern die Kinderbetreuung zu erleichtern, und

B. mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. Denn wer über Entwicklungen im Dunkeln gelassen wird, kann sich – gerade in Selbstisolation allein zuhause – die schlimmsten Horrorszenarien ausmalen.

Soziale Nähe trotz Isolation

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen soziale Nähe brauchen. Und dazu gehört auch die Umarmung unter Freunden, der Handschlag mit Kollegen oder das gemeinsame Essen – nicht als reine Nähstoffaufnahme, sondern als soziale Interaktion. Das ist natürlich jetzt alles unmöglich. Seit inzwischen über einer Woche in absoluter Selbst-Isolation – vielen Dank lieber Husten – war das für mich ein unerwarteter mentaler Schock: Ich mag es grundsätzlich, viel Zeit alleine zu verbringen, aber plötzlich fiel auch der abendliche Tee mit der Nachbarin weg, ebenso wie das gemeinsame Abendessen mit Freunden am Wochenende.

Gleichzeitig aber zeigte sich: Körperliche Ferne heißt nicht gleich Distanz. Innerhalb eines Tages hatte ich mehr als zehn Textnachrichten und Anrufe von Freunden und Bekannten, die Hilfe mit Einkäufen anboten. Eine Nachbarin schob allen Parteien im Haus einen Zettel mit ihrer Telefonnummer unter der Tür durch – für den Fall, dass jemand Unterstützung braucht. Auf Facebook spielt jeden Tag ein Bekannter ein Wohnzimmerkonzert und über Twitter schreibe ich mit Leuten in England, Deutschland, Norwegen und Kanada… Auch wenn wir uns privat und beruflich nicht mehr persönlich sehen können: Die von manchen manchmal verfluchte Digitalisierung ist plötzlich das Tor zu Welt. Oder besser ins Wohnzimmer der Freunde. Letzte Woche hatte ich mein erstes WhatsApp Dinner, demnächst folgen der Brettspiele-Abend online und eine Skype-„Party“. „Etwas mehr Nähe – bei allem körperlichen Abstand“, betitelte Sibylle Berg jüngst ihre Kolumne auf Spiegel Online. Quelle: (https://www.spiegel.de/kultur/coronavirus-etwas-mehr-naehe-bei-allem-koerperlichen-abstand-kolumne-a-08578997-541e-4e53-90cb-88fe236fea3d).

Und dem ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen.

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.