Digitalisierung und Homeoffice als Recruitment-Trend 2020 – Ein Rückblick

Digitalisierung und Homeoffice als Recruitment-Trend 2020

Arbeiten auf der ganzen Welt​

2020 hat für das Recruiting und die Mitarbeitergewinnung viele Veränderungen gebracht. Nicht jeder neue Trend wird sich langfristig durchsetzen, doch hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Bewerbungsgespräche per Videocall sehr effektiv und erfolgsversprechend sein können. Bewerbungsprozesse werden somit genauso wie Arbeitsabläufe zunehmend digital.

2020 brachte für Bewerbungsprozesse eine Art Zwangs-Digitalisierung, da aufgrund der Corona-Pandemie die normalen Rekrutierungsmethoden oft nicht möglich waren.
„Dieses Jahr würde ich als kleinen Quantensprung im Recruiting bezeichnen: Durch die Einschränkungen haben fast alle Unternehmen den Mut gefasst, Gespräche via Videocall oder telefonisch zu führen“, sagt head for work Manager Christoph Enzenmüller. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hätten Unternehmen und auch Bewerber*Innen zunehmend Vertrauen in die vorhandenen Techniken gewonnen. Darüber hinaus sind die neuen Rekrutierungswege und Bewerbungsprozesse mit einer großen Zeitersparnis verbunden: „Es muss für einen Erstkontakt nicht zwangsläufig ein halber Tag Urlaub genommen werden und man investiert keine Zeit für persönliche Gespräche, bei denen man nach 15 Minuten feststellt, dass es für beide Seiten nicht passt.“ Digitale Bewerbungsprozesse können für Unternehmen eine Kosten- und Zeitersparnis bringen. Und das ist wichtig, bedenkt man, dass der Aufwand für die Mitarbeitergewinnung zunehmend größer wird: Den richtigen Spezialisten zu finden, ist angesichts des Fachkräftemangels nicht immer einfach.

Senior 
Consultant Alexander Do hat 2020 ähnliche Erfahrungen gemacht wie sein Kollege: „Die persönlichen Vorstellungsgespräche sind überwiegend auf Videointerviews gewechselt“, sagt er. Somit habe es viel mehr Einstellungen gegeben, „ohne dass Kunde sowie Kandidat sich jemals persönlich gesehen haben“. Darüber hinaus haben sich aber auch die Arbeitsweisen verändert, was einen Einfluss auf unser zukünftiges Arbeitsleben haben wird. „Vielen Arbeitgebern wurde bewiesen, dass die Mitarbeiter im Home-Office genauso produktiv sind und bieten nun mehr Flexibilität bezüglich der Arbeitszeiten an“, sagt Alexander Do. Nach dem ersten Lockdown hätten Unternehmen verstärkt wieder neue Mitarbeiter eingestellt, erzählt der Berater. Und sie hätten sich auf den zweiten Lockdown vorbereitet. „Einstellungsprozesse werden im Gegensatz zum ersten Lockdown kaum noch auf Eis gelegt“, sagt Alexander Do.

Viele erfolgreiche Unternehmen setzen darüber hinaus auf eine strategische Ausrichtung des Recruitings, so dass die Mitarbeiterrekrutierung nicht mehr eine rein administrative Aufgabe ist, sondern die Personalabteilung gezielt mit der Geschäftsführung an der strategischen Ausrichtung arbeitet.

Candidate Centricity: Kandidaten im Mittelpunkt des Bewerbungsprozesses​

Studien haben gezeigt: Kandidaten erachten es heute als wichtig, dass Unternehmen den neuen, potenziellen Mitarbeiter und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Gerade hochqualifizierte Kandidaten sind sich ihres Marktwertes bewusst. Haben sie das Gefühl, dass ein Unternehmen sie und ihr Können nicht wertschätzt, dann suchen sie gegebenenfalls nach Alternativen.

Was sollten Unternehmen also beachten – und vermeiden? Zum einen sollten Jobinfos auf der Webseite leicht auffindbar sein. Manche Unternehmen neigen dazu, die Karriereinfos regelrecht zu verstecken, so dass Kandidaten lange nach entsprechenden Details suchen müssen. Ist die Webseite darüber hinaus nicht für mobile Endgeräte optimiert, kann das schnell abschrecken. Auch lange Bewerbungsformulare oder eine unzureichende Kommunikation sind problematisch. Es ist beispielsweise ein No-Go, wenn der Bewerber nicht über den Stand der Bewerbung informiert wird, oder das Unternehmen es nicht einmal für nötig hält, eine Absage zu verschicken. Manchmal liegt das schlichtweg daran, dass Unternehmen und die entsprechenden Bewerber-Managementsysteme mit der Bewerberzahl und dem aufwändigen Verfahren überfordert sind. Es mag also keine böse Absicht sein, hinterlässt aber trotzdem einen Imageschaden.

Karrierenetzwerke pflegen – das gilt nicht nur für Bewerber​

Grundsätzlich kann es für Unternehmen hilfreich sein, ein Karrierenetzwerk zu pflegen und selbst dann einen guten Kontakt zu potentiellen neuen Mitarbeitern aufzubauen, wenn gerade noch keine Stelle zu besetzen ist. Expandiert ein Unternehmen gerade nicht – oder steckt in einer kleinen Krise – kann es sich trotzdem ansprechend und attraktiv nach außen präsentieren. Wer beispielsweise auf Anfragen potentieller Kandidaten – oder auch auf Kontaktanfragen von Beratern – positiv, freundlich und offen reagiert, bleibt in guter Erinnerung, selbst wenn das Unternehmen gerade keine Stelle zu vergeben hat. Entschließt sich dann das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt, mehr Mitarbeiter einzustellen, oder hat eine Stelle neu zu besetzen, verfügt die Personalabteilung gegebenenfalls schon über einen Pool an Bewerberkontakten, denen man gezielt die Stellenausschreibung zukommen lassen kann. Beratungsunternehmen können an dieser Stelle gezielt zwischen Unternehmen und Kandidaten vermitteln.

Weitere Trends: Nachhaltigkeit als Unternehmensvorteil​

HR Heute machte für 2020 darüber hinaus weitere Trends aus, Green Recruiting zum Beispiel. Gerade der jüngeren Generation sind die Themen Umweltschutz, Klimawandel und Artenvielfalt wichtig. Untersuchungen hätten gezeigt, dass jüngere Kandidaten bei der Auswahl zukünftiger Arbeitgeber darauf achten, wie nachhaltig das Unternehmen agiert. Selbst relativ kleine Veränderungen im Unternehmen können den Nachhaltigkeitsaspekt verbessern, zum Beispiel indem man bei Geschäftsreisen im Inland auf Flugreisen verzichtet. Auch das Bewerbungsverfahren lässt sich umweltfreundlicher gestalten, indem Bewerbungen zum Beispiel digital, statt in Papierform einzureichen sind, oder das erste Gespräch online und ohne lange Anreise stattfindet.

Personalberater und Headhunter spielen weiterhin eine große Rolle​

Neben neuen Abläufen und Prozessen bei Bewerbungsverfahren, hat sich gezeigt, dass auch Headhunting-Experten und Berater weiterhin eine große Rolle dabei spielen, Kandidaten und Unternehmen zusammenzubringen. Eine Studie des Centre of Human Resources Information Systems der ISS University of Bamberg im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH über Social Recruiting hat Anfang 2020 ergeben, dass sich rund 14,4 Prozent der Bewerber über eine Personalberatung oder einen Headhunter über einen potentiellen neuen Arbeitgeber informieren, wenn sie nach einer Stelle suchen. Rund jeder dritte Kandidat nutzt zudem Personalvermittlungen als Active-Sourcing-Kanal, um von Unternehmen gefunden und angesprochen zu werden. Immer wichtiger, so die Studie, werden aber Empfehlungen von Bekannten, die auf der einen Seite Freunde oder Kollegen auf freie Stellen in Unternehmen verweisen oder umgekehrt dem Unternehmen einen Freund oder Kollegen als potentiellen Kandidaten für eine offene Stelle empfehlen.

Die Top-1.000 Unternehmen auf der anderen Seite gaben an, dass sie sich bei der Suche nach Kandidaten – neben Karriere-Events, Personalmessen und Karrierenetzwerke – auch auf die Netzwerke von Recruitern verlassen. 14,5% gaben dies 2019 als einen der Top-5-Active-Sourcing-Kanäle an. Im Vergleich zum Vorjahr war das eine Steigerung von 2,4%.

Eine weitere Studie im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH schaute auf die Digitalisierung und Zukunft der Arbeit. Zum Thema Bewerbungsprozesse heißt es darin: „Die Digitalisierung des Bewerbungsprozesses kann auf Unternehmensseite die Besetzung von offenen Stellen und auf Kandidatenseite die Jobsuche schneller, passgenauer und fairer gestalten.“ Acht von Zehn der Top-1.000, sowie IT-Unternehmen gehen davon aus, dass „durch die Digitalisierung des Bewerbungsprozesses offene Stellen schneller besetzt werden können“. Auch rund die Hälfte der Kandidaten geht davon aus, dass sie durch die Digitalisierung schneller einen Job finden. Etwa die Hälfte der Top-1.000 Unternehmen glaubt zudem, dass die Digitalisierung es erleichtert, Stellen passgenau zu besetzen. In der IT-Branche ist der Anteil noch höher und liegt bei zwei Dritteln der Befragten. Auch die Hälfte der Kandidaten sieht das so. „Nach Meinung der Unternehmen und Kandidaten kann der Bewerbungsprozess durch die Digitalisierung auch fairer gestaltet werden“, so die Studie. Vier von zehn Top-1.000-Unternehmen gehen davon aus, in der IT-Branche sind es sogar knapp drei Viertel. Kandidaten zeigten sich aber deutlich zurückhaltender: „Lediglich ein Fünftel der Kandidaten ist der Meinung, dass sie durch die Digitalisierung des Bewerbungsprozesses fairer behandelt würden.“ Grundsätzlich zeigte sich in der Studie, dass gerade jüngere Kandidaten den Effekt der Digitalisierung positiver bewerten.

Mehr zu den Studien

„Beide Trends haben sich im vergangenen Jahr in der Praxis bewährt“, sagt Sladjana Drago, Marketing Managerin bei head for work. Zusammengefasst sollten Unternehmen auf zwei Aspekte achten – und sich im Zweifelsfall Hilfe bei Beratern holen, um diese entsprechend im eigenen Unternehmen umzusetzen.

1. Digitalisierung im Bewerbungsverfahren:

Videocalls und andere digitale Tools – von Verwaltungssystemen bis hin zu Online-Bewerbungen oder Social Media-Recruiting – haben sich als effektiv erwiesen und können Unternehmen eine Zeit- und Kostenersparnis bringen. Zur Digitalisierung gehört auch ein guter Internetauftritt und dank neuer Baukastensysteme ist das auch für kleinere und mittelständische Unternehmen einfacher umzusetzen. Darüber hinaus ist eine entsprechende digitale Analyse des Bewerbungsverfahrens hilfreich. Aus den gesammelten Daten lässt sich beispielsweise ablesen, wie schnell die ersten Bewerbungen nach einer Stellenausschreibung eingehen, wie viele Kandidaten eine angebotene Stelle annehmen oder warum Kandidaten eine Stelle ablehnen. Das erlaubt es Unternehmen, die eigene Performance zu verbessern und somit das nächste Bewerbungsverfahren erfolgreicher und effizienter zu gestalten. Idealerweise ist dies verbunden mit einer Arbeitgebermarke, also der Außenrepräsentation des Unternehmens, dem sogenannten Employer Branding. Unternehmen sollten beispielsweise transparente Einblicke in das Unternehmen erlauben, so dass sich Kandidaten die Details nicht mühsam einzeln zusammensuchen müssen. Das führt direkt zum zweiten Aspekt:

2. Candidate Centricity:

Unternehmen sollten Kandidaten in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört es beispielsweise bereits in der Stellenausschreibung alle wichtigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Kandidaten sind heute mündiger als je zuvor und suchen sich ggf. mehr Informationen im Netz zusammen, doch kann dieser zusätzliche Arbeitsaufwand abschrecken, wenn die Konkurrenz die Infos auf ihrer Webseite bereithält und dem Kandidaten so viel Zeit erspart. Unternehmen sollten alle Kontakte mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin möglichst angenehm gestalten, da diese sich sonst schnell nach besseren Alternativen umschauen. Candidate Centricity bedeutet, den Kandidaten ins Zentrum zu stellen und nicht allein auf die vermeintlich wichtigeren Bedürfnisse des Unternehmens oder der Personalabteilung zu fokussieren.

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.