Dringend gesucht: Frau für Führungsposition

Das Thema Frauenquote wird seit vielen Jahren heftig diskutiert: Von einigen als nicht notwendig abgelehnt, sehen andere darin die einzige Lösung, um auch die hartnäckigsten und „traditionellsten“ Unternehmen dazu zu zwingen, mehr Frauen in Führungspositionen einzustellen. Zumindest für große und börsennotierte Unternehmen wird dieses Thema jetzt akut. Mitte November beschloss die große Koalition in einem neuen Gesetzentwurf, dass im Vorstand großer und öffentlicher Unternehmen Frauen sitzen müssen. In der Praxis heißt das: Hat der Vorstand eines börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmens mehr als drei Mitglieder, muss einer dieser Posten von einer Frau besetzt sein, heißt es in dem Gesetzentwurf. Betroffen sind davon rund 70 Unternehmen, von denen rund 30 noch keine Frau im Vorstand haben. Das gilt allerdings nur für Neubesetzungen. Andere Unternehmen, die nicht unter diese Regelung einer Mindestbeteiligung fallen, müssen ihr Ziel von null Prozent Frauenanteil in Spitzenpositionen in Zukunft begründen – oder sie riskieren ein Bußgeld.

Frauenquote auf europäischer Ebene​

Auch auf europäischer Ebene wird eine Frauenquote derzeit diskutiert. EU-Grundrechte-Kommissarin Viviane Reding will europäische Firmen ebenfalls dazu zwingen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Einige Unternehmen dürfte eine Frauenquote auf Führungsebene vor Probleme stellen, wenn sie sich bislang nicht aktiv um die Rekrutierung von Frauen bemüht haben. Dass Unternehmen tatsächlich gezielt nach Frauen für Top-Positionen suchen, das kommt nach Erfahrung der Berater bei head for work bislang kaum vor. „Tatsächlich kam es in meiner bisherigen Erfahrung nur einmal vor, dass konkret nach einer Frau für die Position gesucht wurde“, sagt Jana Wosnitza, Consultant beim Düsseldorfer Headhunter head for work. Weit häufiger käme es vor, dass Kandidatinnen ohne ersichtlichen Grund vor der finalen Runde ausschieden und nur männliche Kandidaten in die engere Auswahl kämen. Eine ähnliche Erfahrung hat auch ihre Kollegin Sabine Erzmoneit gemacht. „Bisher hatte ich noch keinen Kunden, der explizit nach einer Frau für eine Führungsposition gefragt hat“, sagt die Beraterin. „Dennoch habe ich es erlebt, dass Frauen abgesagt wurde, obwohl sie mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser qualifiziert waren, als ihre männlichen Konkurrenten – dazu haben sie sogar ein geringeres Gehaltspaket verlangt. Das ist aber zum Glück kein Alltag.“

OECD: Deutschland ist bei der Anzahl von Frauen in Führungsposition weit abgeschlagen​

Laut OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ist Deutschland noch längst nicht bei einer Gleichberechtigung im Arbeitsmarkt angekommen. Frauen in Vollzeitbeschäftigung verdienen im Durchschnitt noch immer 21,6 Prozent weniger als männliche Kollegen. Und auch bei Frauen in Führungspositionen liegt Deutschland hinter dem internationalen Durchschnitt: Gerade einmal 4 Prozent der Vorstandsposten sind mit Frauen besetzt, im OECD Durschnitt liegt die Quote bei 10 Prozent.

Familie und Karriere? Alte Klischees behindern die Rekrutierung von Frauen​

Hinter der Ablehnung von Frauen in Führungspositionen stecken oft alte Vorurteile und eine gehörige Portion Angst, dass bei Frauen an irgendeinem Punkt die Familienplanung wichtiger sein könnte als die eigene Karriere – und der damit verbundene Erfolg in der Führungsposition. „Ich habe das Gefühl, dass Frauen nach wie vor leider in die Schublade ‚entweder Job oder Familie‘ gesteckt werden“, sagt Alina Senff, Recruitment Consultant bei head for work. Gerade in Traditionsunternehmen und männergeführten Branchen kann es darüber hinaus tatsächlich ein Problem sein, dass manche Männer – gerade älterer Schule – sich ungern von Frauen führen lassen. „Gerade sehr konservative Unternehmen, hier auch unabhängig von der Unternehmensgröße und der Branche, besetzen entsprechende Positionen lieber mit Männern als mit Frauen“, sagt Consultant Sabine Erzmoneit. Das liege auch an der noch immer bestehenden „gesellschaftlichen Konvention, dass Frauen nicht das entsprechende Standing für solche Positionen mitbringen.“ Oder wie Alina Senff es ausdrückt: Schließlich hat es das „noch nie gegeben“.

 

Pauline Radtke arbeitet erst seit einigen Monaten bei head for work, hat eine ähnliche Erfahrung aber zuvor in Gesprächen mit vielen Personalern gemacht, nämlich „,dass bei Frauen mehr auf Alter und Beziehungsstatus geachtet wird, als bei Männern, da leider immer noch bei Unternehmen die Angst vor Schwangerschaft herrscht, da dies als Kosten bzw. als Belastung gesehen wird.“ Ihre Kollegin Alina Senff glaubt, dass der Wandel in Unternehmen noch Zeit braucht. „Wir als Gesellschaft können nicht davon ausgehen, dass innerhalb von 10 Jahren Strukturen niedergehen, die sich über 100 Jahren implementiert haben.“

Familienplanung und Mutterschutz sollten heute eigentlich kein Thema mehr sein, sagt head for work Consultant Jana Wosnitza. „Denn auch mit Kindern und Mutterschutz kann eine Frau ebenso eine Führungsposition einnehmen und die Funktion zufriedenstellend erfüllen. Es geht dabei aber auch darum, inwiefern das Unternehmen die Flexibilität und Möglichkeit bietet das umzusetzen.“

Selbstgesetzte Frauenquote im Vorstand: Null Prozent​

Der Druck des Fachkräftemangels könnte ein Faktor sein, der in Zukunft den gesellschaftlichen Wandel vorantreibt. „Unternehmen, die offen mit dem Thema Diversity und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie umgehen, zeigen sich auch schon im Rekrutierungsprozess offen und bringen wesentlich weniger Social Bias mit, als Unternehmen, die den Trend – und den Fachkräftemangel – noch nicht erkannt haben“, sagt Sabine Erzmoneit. Derzeit scheint der Fachkräftemangel aber noch nicht akut genug zu sein, um Unternehmen dazu zu motivieren, mehr Frauen auf entsprechenden Positionen einzustellen.

 

Laut Gesetz sind börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet einen Zielwert für die Beteiligung von Frauen im Vorstand festzulegen – dieser Wert kann aber auch eine Null sein. Und davon machen tatsächlich bislang einige Unternehmen Gebrauch: 53 deutsche, börsennotierte Unternehmen haben sich derzeit das Ziel von 0 Prozent Frauen im Vorstand gesetzt, wie der Merkur über eine Studie der Allbright-Stiftung berichtete. Und das ist keinesfalls auf eine Branche beschränkt: Internet-Anbieter sind ebenso davon betroffen, wie ein Autovermieter, eine bekannte Optikerkette und der Internet-Händler Zalando. Die Begründungen dafür sind unterschiedlich, unter anderem wird auf die bereits seit langem bestehende Besetzung des Vorstandes verwiesen, was man nicht ändern könne oder wolle.

Pro und Contra Frauenquote: Die head for work Berater sehen das unterschiedlich​

Immer wieder verwiesen Gegner der Frauenquote darauf, dass der Markt und Unternehmen das Problem schon selbst lösen würden. Selbstregulierung war das große Schlagwort, die Politik solle sich aus Unternehmen raushalten. Doch wie die Statistik zeigt, hat sich in den letzten zehn Jahren in deutschen Unternehmen nicht viel getan und so gelangte die gesetzlich eingeführte Frauenquote erneut auf dem Tisch.Quelle

Die Berater bei head for work sind gespalten, ob eine gesetzliche Frauenquote tatsächlich der richtige Schritt ist. Consultant Sabine Erzmoneit ist für eine Frauenquote: „Meiner Meinung nach ist es ein notwendiger Schritt, um den Weg für zukünftige Generationen zu ebnen, so dass Frauen in Führungspositionen zur Normalität gehören werden. Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es ohne Quote nun einmal nicht geht.“ Auch Pauline Radtke ist dieser Meinung, „wenn es klare Richtlinien gibt wie zum Beispiel die 4/5 Rule in den USA“. Consultant Jana Wosnitza ist grundsätzlich gegen die Frauenquote, „aus dem einfachen Grund, dass es nicht nötig sein sollte die Anzahl von Frauen in einer Führungsposition zu erzwingen. Aber leider glaube ich, dass es lange Zeit einfach noch notwendig sein wird, um Frauen überhaupt die Möglichkeit zu geben beispielsweise in den Vorstand zu treten“. Alina Senff sieht das ähnlich: „Ich bin eigentlich eine klare Gegnerin einer Frauenquote. Wenn man sich auf eine Führungsposition bewirbt, dann sollte man diese auf Grund der Erfahrung und der Qualifikation bekommen und nicht aufgrund einer Quote“, sagt sie. Allerdings könnte die Quote ein guter Weg sein, dort langfristig hinzugelangen. „Wenn die Quote dazu führt, dass Unternehmen sehen, dass sich Frauen und Männer qualitativ nicht voneinander unterscheiden, wird sie auf Dauer nicht nötig sein.“


Frauen an der Spitze bringen nicht nur eine andere Perspektive und neue Ansätze und Innovationen, es hilft auch dem Unternehmensimage. „Ich denke, dass Frauen an der Spitze das Unternehmen weiter nach vorne bringen kann“, sagt Beraterin Alina Senff. „Das Unternehmen wirkt direkt dynamischer und moderner und zeigt so eine andere Wirkung nach außen. Das Image wird sich verbessern und mehr Unternehmen dazu motivieren, nachzuziehen.“

Mehr Frauen in Spitzenpositionen: Es beginnt mit der Rekrutierung​

Unternehmen, die derzeit keine Frauen in Führungspositionen haben und das ändern wollen, sollten dies bei neuen Stellenausschreibungen offen kommunizieren, sagt head for work Beraterin Jana Wosnitza. Darüber hinaus gilt es aber auch intern transparent damit umzugehen, „um den Frauen im Unternehmen ebenfalls die Möglichkeit zu bieten, sich dahin weiterzuentwickeln.“ Tatsächlich können Unternehmen sich den weiblichen Führungsnachwuchs selbst heranziehen. „Ich glaube, dass in bestimmten Bereichen immer mehr Frauen reingehen, aber diese zum Teil noch in ihrer Ausbildung sind oder am Anfang ihrer Karriere stehen und es deshalb noch etwas dauert, bis diese mal auf einer Führungsebene angekommen sind“, sagt Pauline Radtke.

 

 

 

„Gebt Frauen eine Chance! Traut Euch etwas, seid anders, Ihr werdet überrascht sein. Vielfalt, neue Perspektiven und eine frische Herangehensweise an Problematiken könnten den Unternehmen sicher einen wirtschaftlichen und kulturellen Mehrwert geben. Fördert Eure Talente richtig, unabhängig vom Geschlecht, und ebnet ihnen den Weg durch kreative und flexible Lösungen, sowohl für Väter als auch für Mütter!“

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.