Inflation

Wirtschaft und Corona: Folgt nach der Pandemie die Inflation?

Inflation – das ist in Deutschland eine Art Schreckenswort, das Politikern, Anlegern und wirtschaftsinteressierten Verbrauchern den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Das mag auch mit der Erinnerung an die Hyperinflation von 1923 zusammenhängen, von der die meisten in der Schule gehört haben, als plötzlich Noten mit dem Wert von 100 Milliarden Mark im Umlauf waren und der Geldschein der letzten Woche sich vielleicht noch als Klopapier, aber nicht mehr zum Bezahlen eignete. Auch mit dem vermutlichen Ende der Corona-Maßnahmen im Sommer erwarten einige Experten, dass die Inflation in Deutschland und international ansteigen könnte. Gründe dafür: Die anhaltende Flut billigen Geldes, mit der Notenbanken und Regierungen die Finanzmärkte versorgt haben – Zinsen sind auf einem Rekordtief – und die steigenden Preise für Rohstoffe und Öl, die sich mit der wirtschaftlichen Erholung abzeichnen. Was aber steckt genau dahinter? Was bedeutet es für Verbraucher? Und wie hoch ist das Inflationsrisiko tatsächlich? Darüber streiten sich Experten, Anleger, Politiker und Vertreter von Notenbanken. Eine klare Antwort hat keiner.

Inflation bedeutet einen Preisanstieg für Alltagswaren

Eine Inflation bedeutet eine allgemeine und anhaltende Erhöhung der Preise sowohl für Güter, als auch für Dienstleistungen, was letztendlich die Kaufkraft des Geldes reduziert. Neben der tatsächlich gemessenen Inflationsrate spielt auch die gefühlte Inflation eine Rolle für Konsumenten, denn oft nehmen diese die Preisteuerung als viel höher war, als sie rein rechnerisch tatsächlich ist. Das hängt damit zusammen, dass in die Berechnung des Inflationswerts neben Produkten des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung oder Kosmetikartikel, auch langlebige Konsumgüter mit einbezogen werden. Autos zum Beispiel und die kauft man bekanntermaßen durchaus seltener als Brot oder Gemüse. Steigen also die Preise für Alltagsprodukte mehr als für die langlebigen Konsumgüter, dann fühlt sich die Inflation schlimmer an, als sie ist. Das wiederum hat Einfluss auf die Krisenwahrnehmung, wenn plötzlich der wöchentliche Einkauf statt bei 50 Euro, plötzlich bei 55 oder gar 60 Euro liegt.

Die Angst vor einer Post-Corona-Inflation ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern wird derzeit auch international in den Medien diskutiert, in Großbritannien zum Beispiel und den USA. Letztere sind für diese Sorge mit ausschlaggebend. Für Märkte sei es derzeit extrem schwer vorherzusagen, wie sich die Wirtschaft in Zeiten einer Pandemie verhalten werde, schreibt zum Beispiel der Guardian. So sei nicht absehbar, ob die Erholung nach Covid dazu führt, dass Menschen mehr Geld ausgeben und so die Preise nach oben treiben. Für Investoren ist das keine gute Aussicht, denn ein Mittel einer Inflation entgegenzuwirken, ist es, die Zinsen anzuheben – und Unternehmen haben sich an Niedrigzinsen und damit billiges Geld gewöhnt. Der Guardian macht für Großbritannien einige wichtige Faktoren aus, die zu einer Inflation beitragen könnten: So haben die Briten in den letzten 14 Pandemie-Monaten rund 160 Milliarden Pfund gespart und der Chef-Wirtschaftsexperte der Bank of England geht davon aus, dass rund 20% davon bereits bis Ende des Jahres ausgegeben werden könnten – auch wenn die offizielle Erwartung derzeit bei 5% liegt. Beides kann bedeuten, dass mehr Geld für wenige Waren im Umlauf ist. Und in Großbritannien kommen da dann noch die Folgen des Brexit oben drauf. Ein weiterer Faktor ist der Preis für viele Rohstoffe, der bei größerer Nachfrage ebenfalls weiter nach oben schießen könnten. Aufgrund eines Booms in China sind die Preise für Eisenerz, Kupfer, Öl, Bauholz und andere Rohstoffe bereits deutlich teurer. Der Kupferpreis ist beispielsweise in den letzten 12 Monaten um 40% gestiegen. Das kann sich langfristig auch auf die Verbraucher niederschlagen. Beispiel Autos: Wegen eines Mangels an Chips mussten einige Hersteller die Produktion drosseln. Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass die Betriebe ihre Bestellungen während Corona zurückfuhren und andere Wirtschaftsbereiche – wie Hersteller von Computern – auf den Markt drängten. Jetzt müssen sich die Autohersteller hinten anstellen Quelle. Aber auch hier gilt: Steigt die Nachfrage, steigt der Preis.

Kleiner Panikanfall an der amerikanischen Börse

Grundsätzlich sind die Meinungen geteilt, ob nun tatsächlich eine Inflation die Wirtschaft und Verbraucher bedroht. Während einige Wirtschaftsexperten die Situation noch recht entspannt bewerten, warnen andere vor den Folgen einer möglichen Inflation. So schrieb Thomas Sigmund jüngst im Handelsblatt: „Die Inflation sollte uns Sorgen machen“, denn sie liege in den USA bereits bei 4% und in Deutschland bald bei 3% und damit über der Zielmarke der EZB. Quelle Erste Anzeichen einer Inflation in den USA haben jüngst die Märkt kurzfristig in einen Panikzustand versetzt. Im Mai stiegen die US-Verbraucherpreise zunächst um 4,2%, nach 2,6% im Vormonat. So hoch lagen sie das letzte Mal vor 13 Jahren. Anfang Mai reagierte die Börse auf das Schreckgespenst, wie es der Tagesspiegel bezeichnete. Es war ein kurzes Aufflammen, dann schienen sich die Märkte wieder zu beruhigen, doch seitdem hat sich die Debatte intensiviert. Folgen hätte eine Inflation nicht nur – wie angesprochen – auf die Verbraucher, sondern auch auf die Aktienkurse, denn sie sind eng an die Zinspolitik gekoppelt. Steigen die bislang niedrigen Zinsen, dann ist davon auszugehen, dass die Kurse der Aktien fallen. „Steigende Zinsen sind Gift für Unternehmen. Die ultralockere Zinspolitik der Notenbanken hat in den vergangenen zwölf Jahren zu einem unglaublichen Kursanstieg bei Aktien geführt“, schreibt der Tagesspiegel über diese Korrelation. Während der Pandemie wurde die bislang ohnehin lockere Geldpolitik weiter gelockert. Und dann ist natürlich auch die Frage, wie Regierungen mit der abebbenden Krise umgehen: Versuchen sie weiterhin die Wirtschaft anzuheizen oder ziehen sie Förderprogramme zurück und erhöhen die Steuern, wie es gerade die britische Regierung plant?

 

Unsicherheit für die Wirtschaft und Unternehmen

Doch die Warnung vor einer Inflation gab es in den letzten 30 Jahren immer wieder – eingetroffen ist sie nie. Jim Leaviss, Chief Investment Officer bei MGM, hat bereits häufig genug einen falschen Inflationsalarm erlebt, doch gegenüber der Financial Times äußerte er sich Mitte Mai anders: Es sei immer richtig, skeptisch zu sein, wenn jemand sage, dies sei das Jahr an dem die Inflation zurückkomme. „Aber dieses ist das erste Mal, das man sagen kann, es ist anders“, sagt er. „Die Pandemie könnte das systemische Erdbeben sein, das die Inflationsaussichten, an die wir uns die letzten 30 Jahre gewöhnt haben, verändert.“ Quelle Ein gewisser Anstieg sei für den Sommer aufgrund der auslaufenden Corona-Maßnahmen immer zu erwarten gewesen. Eine länger anhaltende Inflation könnte aber die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie zurückwerfen und die zentralen Notenbanken dazu zwingen, die monetären Schrauben enger zu ziehen. Die Notenbanken selbst versuchen derzeit beruhigend einzuwirken. Der amerikanische Fed-Chef zum Beispiel sagte, eine Inflationsrate von über 2% sei für eine gewisse Zeit hinnehmbar. Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, sagte als Reaktion auf die Panik amerikanischer Anleger, die EZB werde nicht auf einen Inflations-„Blips“ – ein Piepsen – reagieren. Quelle „Ich denke, wir müssen uns selbst des Fakts gewahr werden, dass die Inflationszahlen im Laufe des Jahres 2021 steigen werden“, sagte sie. Eine kurzfristige inflationäre Bewegung sei von temporären Faktoren abhängig und sollte keine bestimmte Reaktion hervorrufen. Die EZB erwarte in der Tat eine volatile Inflation in den kommenden Monaten, aber diese sei wahrscheinlich zeitlich begrenzt. Was also hinsichtlich einer Inflation passiert, ist noch völlig offen.

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.