Höllischer Chef oder:
Wie man mit schlechten Vorgesetzten umgeht

Meike* hat ein Problem und das Problem heißt Paul*: Vor gut einem Jahr hat Meike ihren Traumjob in einem weltbekannten, internationalen Konzern angenommen. Es ist ein wichtiger Karriereschritt für sie und mit entsprechend hoher Motivation machte sie sich an die Aufgaben. Doch bereits nach kurzer Zeit wurde klar, dass die Chemie zwischen ihr und ihrem direkten Vorgesetzten einfach nicht stimmt. Ihre Leistung ist super, ein Lob gibt es nicht. Im Gegenteil: Meike verlässt nach jedem Gespräch mit Paul den Raum mit einem unguten Gefühl. Spätestens beim Thema flexible Bürozeiten geraten die beiden dann aneinander. Zwei Tage im Büro, der Rest im Homeoffice ist die offizielle Firmenrichtlinie, Meikes Wunsch dies angesichts eines langen Arbeitsweges etwas flexibler zu gestalten, weist Paul direkt ab. Obwohl Meike das Thema danach nicht noch einmal anspricht, ist es immer wieder Gegenstand der zweiwöchentlichen Gespräche. Paul beginnt Druck aufzubauen, merkt wiederholt an, wie schlecht es für Meikes Karriere wäre, sollte sie offiziell eine flexible Arbeitszeitlösung oder Remote Arbeit beantragen – was ihr Unternehmen anderen Kolleg*innen bereits ermöglicht hat. Als die Teams neu strukturiert werden, blockiert Paul Meikes Wechsel in ein anderes Team. Wiederholt verweist er auf ihre Situation als Berufsanfänger, obwohl Meike seit vielen Jahren in der Branche und ähnlichen Jobs tätig ist – nur in anderen Unternehmen. Auch ihr Jobtitel beinhaltet das englische Wort „Senior“, sie ist also keineswegs ein Anfänger und darüber hinaus gut in ihrem Job.

Personen im Streit

Schrecklicher Chef oder Fehler auf beiden Seiten?

Das läuft über Monate, das Arbeitsverhältnis ist zunehmend vergiftet, Meikes Leistung beginnt unter dem ständigen Druck und der negativen Stimmung zu leiden. Schließlich hat sie Panikattacken und Schlafstörungen. Ihr Hausarzt schreibt sie krank, die Personalverwaltung wird eingeschaltet. Paul lässt Meike wissen, sie sei jetzt ja nur krank, um nicht ins Büro kommen zu müssen… trotz Unterstützung von Kolleg*innen und der Personalabteilung, sieht Meike nur noch eine Lösung: die Kündigung.

Wer aber ist schuld an der Situation?  Für Meike ist Paul ein Chef, der frisch der Hölle entschlüpft ist. Paul hingegen glaubt, dass Meike die Situation von Anfang an falsch eingeschätzt hat. Meike trat den neuen Job mitten im Lockdown an und arbeitete damals von zuhause aus. Der Wechsel zurück ins Büro fiel ihr angesichts der langen Pendelstrecke tatsächlich schwer. Paul folgte strikt den Vorgaben des Unternehmens, macht sich also nicht wirklich einen Vorwurf. Das Hauptproblem: Mangelhafte Kommunikation auf beiden Seiten, fehlende Empathie und schlechte Mitarbeiterführung auf Seiten des Vorgesetzten.

Die schlimmsten Chefs: Vom Micromanager zum Chaoten ohne Plan

Jeder, der schon länger im Berufsleben ist, hat schon einmal einen schlechten Chef erlebt – oder hatte bislang unverschämt viel Glück. Dabei gibt es verschiedene Typen und sehr unterschiedliche Probleme.

Typ 1 ist der Micromanager: Egal wie kompetent die Mitarbeiter*innen sind, Micromanager können nicht loslassen. Derartige Chefs haben oft das Gefühl, dass die Projekte keinem der Mitarbeiter*innen so sehr am Herzen liegen wie dem Micromanager selbst. Nur er (oder sie) weiß wie dringend etwas ist, wie die Details aussehen müssen und wie der Kunde zu behandeln ist. Micromanager ertragen es nicht, die Kontrolle zu verlieren. Wer mit einem derartigen Vorgesetzten zu tun hat, der ist am besten beraten, ungefragt und ständig alle Informationen weiterzuleiten, so dass der Micromanager immer das Gefühl hat, involviert zu sein und sieht, dass auch ohne Eingreifen ein Projekt erfolgreich ist. Für Mitarbeiter*innen ist das natürlich erst einmal sehr anstrengend, denn sie müssen zusätzliche Arbeit aufwenden, um den oder die Vorgesetzte*n ständig zu informieren. Über lange Frist kann es aber sein, dass genau diese Informationsflut zu viel wird und der Chef oder die Chefin erkennt: Die Mitarbeiter*innen machen das schon – auch ohne ständige Kontrolle.

Das Gespenst – oder: durch Abwesenheit glänzen. Typ 2 der schlimmsten Chefs ist das exakte Gegenteil. Wann immer Arbeit ansteht oder Mitarbeiter*innen Unterstützung brauchen, ist der Chef oder die Chefin nicht aufzufinden oder in anderen „wichtigen“ Meetings. Hier kann es helfen, regelmäßige Termine mit dem oder der Vorgesetzten zu buchen und so feste Strukturen zu etablieren. Auch sollten Mitarbeiter*innen sich immer selbst absichern, so dass sie nicht Schuld daran sind, wenn durch die Abwesenheit des Chefs ein Problem entsteht. Beispiel: In einem Marketingunternehmen steht eine wichtige Präsentation bei einem Kunden an. Mitarbeiter A hat eine Präsentation vorbereitet und schickt sie an Chefin B. Die reagiert nicht, so dass A schließlich ohne das Feedback der Chefin in die Besprechung geht. Hinterher aber gibt es Ärger: A hat ein paar veraltete Daten gezeigt. A wusste das nicht, denn die Daten hatte nur B vorliegen, B aber hatte keine Zeit auf die Präsentation zu schauen. A hätte sich hier etwas absichern können, indem er der Chefin die E-Mail mit einer klaren Ansage schickt: „Falls es in der Präsentation Änderungen gibt, brauche ich Feedback bis Montag.“

Typ 3 vergiftet jede Büroatmosphäre – meist ohne Grund und mit (oft gezieltem) Fehlverhalten – seien es cholerische Anfälle beim Zweiergespräch, unangebrachte E-Mails oder im schlimmsten Fall Bullying und sexuelle Belästigung. Das wird zu einem großen Problem, wenn die Vorgesetzten des Vorgesetzten dessen Verhalten ignorieren. Mitarbeiter*innen haben hier nur eine Chance: jedes Fehlverhalten dokumentieren und dann mittels der Personalabteilung die entsprechenden Schritte einleiten. Am besten holt man dabei so viele Kolleg*innen wie möglich mit an Bord, um sich selbst den Rücken zu stärken.

Und dann gibt es noch den Bürochaoten. Jede kennt ihn, jeder hat ihn einmal getroffen. Unterlagen verschwinden, E-Mails landen beim falschen Empfänger, Deadlines werden verschwitzt. Schlimm genug, wenn das Kollegen passiert, aber richtig frustrierend, wenn der eigene Chef der größte Chaot im Team ist. Bei Typ 4, dem chaotischen Chef, fragt man sich nämlich schnell: Wie hat der oder die es nur in eine Führungsposition geschafft? Mit einem Chaoten als Chef hat man eigentlich nur eine Möglichkeit: bei sich selbst für Ordnung sorgen und auch die Kolleg*innen dazu zu animieren – im Zweifelsfall, ohne den Chef oder die Chefin ins Boot zu holen. Dabei ist trotzdem Vorsicht angesagt, denn nicht selten ruhen sich derartige Vorgesetzte auf den Lorbeeren ihrer Mitarbeiter*innen aus.

Was aber sind die schlimmsten Fehler die Vorgesetzte grundsätzlich machen können? Ein einzelner Fehler macht einen nicht gleich zum Chef des Grauens. Wer aber gleich mehrere der folgenden Punkte bei sich (oder einem Vorgesetzten) entdeckt, der sollte gegensteuern.

Frau traurig, frustriert

15 Charakteristika, die einen Vorgesetzten schnell zum höllischen Chef machen
  1. Falsche Versprechungen. Dieser Punkt braucht keine weitere Erklärung…
  2. Keine Wertschätzung für Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen. Fehlende Wertschätzung spiegelt sich in der Motivation der Mitarbeiter*innen wider: Wer einen guten Job macht, aber nie gelobt wird oder sogar das Gefühl hat, dass der oder die Vorgesetzte die Leistung nicht einmal wahrnimmt, der wird sich irgendwann fragen, warum man eigentlich so viel der eigenen Energie in die Arbeit steckt. Die Motivation sinkt, die Leistung ebenfalls.
  3. Hinter dem Rücken negativ über die eigenen Mitarbeiter*innen reden – irgendwann spricht sich das herum.
  4. Offen andere Mitarbeiter*innen bevorzugen und das ohne ersichtlichen Grund. Das kann beispielsweise passieren, wenn ein*e Vorgesetzte*r mit jemandem im Betrieb befreundet ist und die Freundschaft plötzlich wichtiger für die Beförderung ist als Leistung oder Fachwissen. Das spricht direkt den nächsten Punkt an:
  5. Zu persönlich werden: Im Berufsleben sollten stets professionelle Grenzen gewahrt bleiben. Vorgesetzte, die also ständig nach dem Privatleben der Mitarbeiter*innen fragen, oder intime Details mit dem gesamten Büro teilen, sind problematisch. Arbeitnehmer*innen haben immer ein Recht darauf, Privatleben und Beruf zu trennen.
  6. Alles andere als ein Vorbild: Vorgesetzte sind nicht glaubhaft, wenn sie die Fehler, die sie bei anderen kritisieren, dann selbst machen.
  7. Fehlende Kommunikation über Entscheidungen, die die Mitarbeiter angehen zum Beispiel – wie bei Meike und Paul – über die Verpflichtung zum Arbeiten aus dem Homeoffice – oder dem Büro.
  8. Mitarbeiter ausschließen, das heißt ihnen keine Möglichkeit zu geben, Verbesserungsvorschläge oderÄnderungsvorschläge zu äußern oder generell Wünsche von Mitarbeitern nicht in Erwägung ziehen 
  9. Fehlende Empathie, das heißt: bei privaten Vorfälle oder schwierigen Situationen der Mitarbeiter*innennicht proaktiv Unterstützung anbieten oder generell kein Verständnis an den Tag legen.
  10. Mitarbeiter klein halten: Chefs mit autoritärer Haltung neigen dazu, ihre Mitarbeiter klein zu halten, statt ihren Aufstieg zu fördern. Sie müssen sich in der heutigen modernen Arbeitswelt nicht wundern, wenn die Mitarbeiter sich schnell nach neuen Stellen umschauen.
  11. Keine Beachtung für die Veränderungen am Markt haben, das betrifft beispielsweise Benefits wie Boni oder andere Anreize wie flexible Arbeitszeiten. Auch das sind Gründe, warum sich Mitarbeiter umorientieren – vor allem, wenn die Konkurrenz bessere Arbeitsbedingungen bietet.
  12. Bei schlechtem Betriebsklima keine Versuche für Verbesserung der Stimmung unternehmen, zum Beispiel durch Firmenfeiern, Team Building Events etc.
  13. Der unsichtbare Chef, das heißt Vorgesetzte sind für Mitarbeiter*innen nicht greifbar, sie haben nie Zeit und sind immer „beschäftigt“.
  14. Vergesslichkeit. Auch das ist Teil des „Unsichtbarer Chef“-Syndroms: Vorgesetzte tauchen zu vereinbarten Meetings und Gespräche nicht auf. Das kann manchmal vorkommen, wenn es sehr stressig ist. Sollte das aber regelmäßig vorkommen, dann ist das ganz klar ein schlechter Führungsstil
  15. Bullying. Das ist am Arbeitsplatz leider noch immer ein häufiges Problem. Besonders schlimm ist es für Mitarbeiter*innen, wenn es sich dabei nicht (nur) um Kolleg*innen handelt, sondern sich Vorgesetzte entweder aktiv daran beteiligen oder sogar der Auslöser sind. Hier bleibt nur die Möglichkeit, eine höhere Unternehmensebene einzuschalten oder ggf. rechtliche Schritte zu prüfen.

Bleibt zum Schluss nur die Frage, was Mitarbeiter*innen tun können, wenn sie sich Problemen mit ihren Vorgesetzten gegenübersehen. Zum einen sollte man immer alles dokumentieren und gegebenenfalls Kolleg*innen um Hilfe bitten. Ist eine direkte Konfrontation des Chefs oder der Chefin ausgeschlossen, dann sollte man sich an die Personalabteilung wenden oder eine höhere Unternehmensebene einschalten. Auch ein Mediator kann hinzugezogen werden. Sollte sich die Situation nicht ändern oder hat man als Mitarbeiter*in das Gefühl, dass man emotional in einer toxischen Situation steckt, dann sollte man über einen Jobwechsel nachdenken. Ist das Verhältnis mit dem oder der Vorgesetzten bereits vergiftet – und das von beiden Seiten – dann wird es in Zukunft sehr schwer sein, zusammenzuarbeiten, selbst wenn das real greifbare Problem beseitigt ist. Zurück zum Beispiel von Meike und Paul: Selbst, wenn das Unternehmen Meike flexiblere Arbeitszeiten ermöglicht, kann sie sich eine Zusammenarbeit mit Paul nicht mehr vorstellen. Der Chef ist für sie zur emotionalen Belastung geworden. Es gibt damit nur eine Lösung: Meike wird den vermeintlichen Traumjob verlassen und sich eine neue Stelle suchen. Ihre Fachkenntnisse sind gefragt und so verliert nicht nur Meike: Das Unternehmen verliert eine dringend benötigte Fachkraft und einen Ersatz zu finden, wird nicht einfach.

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