Realitätscheck Gehalts­paket: Nicht allein das Gehalt ist entscheidend

Sei es im Bewerbungsverfahren oder bei der Neuverhandlung des Vertrags: Das richtige Gehalt ist für Kandidaten und Unternehmen immer eine schwierige Frage. Neben dem Monatsgehalt können auch nichtmonetäre Anreize ausschlaggebend sein, ob ein Kandidat sich für eine Stelle entscheidet oder nicht. Nicht nur Unternehmen sollten daher genau wissen, was die Erwartungen sind und sich darauf vorbereiten. Bereits während eines Bewerbungsverfahrens sollten sich auch Kandidaten genaue Gedanken machen, was eigentlich ein realistisches Gehalt ist und welche Wünsche sie mitbringen. „Jeder hat seine Fixkosten, die monatlich beglichen werden müssen. Als Kandidat würde ich von dieser Untergrenze und dem letzten Gehalt ausgehend eine Eingliederung vornehmen. Natürlich kann man sich auch höher gesteckte Ziele setzen, allerdings immer in Relation zur Berufserfahrung“, sagt head for work Consultant Jana Wosnitza. Zumindest eine grobe Gehaltsspanne sollte man von Anfang an im Kopf haben: „Niemand verlangt, dass sich direkt auf den genauen Euro festgelegt wird, aber eine grobe Vorstellung sollte von Anfang an klar kommuniziert werden.“

Recherche ist dabei das A und O. Man kann sich zum Beispiel Informationen über entsprechende Portale, aber auch Freunde oder natürlich Personalberater einholen, sagt Consultant Sabine Erzmoneit. „Personalberatungen haben meist einen sehr guten Überblick über den gesamten Markt und können einschätzen, was ein angemessenes Gehaltspaket sein kann.“ Je nach Bildungsabschluss, der Berufserfahrung und der Branche können sich Gehälter zum Teil massiv unterscheiden. Viele Unternehmen sind an branchenübergreifende Tarifverträge gebunden. Diese lassen sich öffentlich einsehen, so dass sich Unternehmen und Kandidaten daran orientieren können. „Man sollte sich immer auf dem Laufenden halten, welche Gehälter auf dem Markt für seine Position üblich sind“, ergänzt Senior Consultant Oscar Koning. „Jedoch muss man auch da viele Faktoren mit einbeziehen, wie z.B. Standort, Branche, weitere Benefits etc. Lohn muss nicht immer monetär sein, sondern kann sich auch in Formen wie Vertrauen, Wertschätzung und positives Arbeitsklima äußern.“

Checkliste Gehalt – folgende Faktoren sind entscheidend:

1. Qualifikationen: Darunter fallen berufliche und akademische Abschlüsse. Bei Führungskräften beispielsweise liegt das Gehalt im Durchschnitt rund 30 Prozent höher, wenn sie einen akademischen Abschluss haben. Es gibt dabei aber große Unterschiede zwischen den einzelnen Fachabschlüssen: Mediziner verdienen beispielsweise deutlich mehr als Geisteswissenschaftler.

2. Erfahrung:
Egal ob Studienabschluss oder nicht, entscheidend für das Gehalt ist darüber hinaus die Berufserfahrung. Wer langjährige Erfahrung mitbringt, der kann mehr verlangen als Berufsanfänger oder Quereinsteiger.

3. Soft Skills: Soziale Kompetenz, Teamfähigkeit oder Empathie spielen heute im Berufsleben eine größere Rolle und sind bei Unternehmen sehr gefragt. Auch Quereinsteiger können hier punkten, weil sie frische Perspektiven mitbringen. Diese Soft Skills nachzuweisen ist aber oft schwieriger und daher stärker Verhandlungssache.

4. Branche: Gehälter unterscheiden sich in unterschiedlichen Branchen zum Teil erheblich. Wer aus einem Job in eine andere Branche wechselt, sollte das bei Gehaltsverhandlungen mit bedenken und sich rechtzeitig über die üblichen Gehälter in der jeweiligen Branche informieren. 

Wer eine neue Stelle annimmt, sollte hinterher möglichst immer besser dastehen, als im vorangegangenen Job. Da denkt man natürlich zunächst einmal an eine bessere Bezahlung. Manchmal kann es aber auch Sinn machen, ein schlechteres Gehalt in Kauf zu nehmen, wenn der neue Job dafür andere Anreize bietet oder positive Aspekte wie weniger Stress oder bessere Karrierechancen mit sich bringt.

Mehr als nur das Gehalt: Kandidaten erwarten attraktive Anreize

Nicht-monetäre Aspekte sind tatsächlich ein wichtiger Punkt bei Gehaltsverhandlungen – gerade wenn sich ein Kandidat zwischen zwei oder mehr Stellen entscheiden muss. So mag ein Unternehmen zwar grundsätzlich ein besseres Basisgehalt zahlen, bietet aber darüber hinaus keine weiteren Leistungen oder Vorteile. Bei einem anderen Unternehmen mag das Basisgehalt vielleicht etwas niedriger liegen, dafür gibt es aber ein großzügiges Rentenpaket, Urlaubsgeld, attraktive Boni oder einen Dienstwagen. Da fällt die Entscheidung schwer. „Neben der klassischen Vergütung sollten natürlich auch weitere Aspekte miteinbezogen werden. Bietet der Arbeitgeber zusätzlich die Option zur betrieblichen Altersversorgung, vermögenswirksamen Leistungen oder eine Fahrtkostenpauschale? Gibt es flexible Arbeitszeiten, Home Office, mehr als x Urlaubstage und wie sieht die reale Arbeitszeit aus?
Wird das Mittagessen subventioniert, wie ist die Büroausstattung und wie ist das Arbeitsumfeld allgemein?“ listet Sabine Erzmoneit einige wichtige Fragen für Kandidaten. Dann müssen Kandidaten abwägen, was ihnen tatsächlich wichtiger ist und auf lange Frist die größeren Vorteile bietet. Oscar Koning hat daher für Kandidaten einen entscheidenden Tipp. „Wichtig ist, sich selber klar zu werden, worauf man wert legt und bei welchen Punkten man bereit ist, eventuell auch gehaltlich Abstriche zu machen.“ Jana Wosnitza hat als Beraterin die Erfahrung gemacht, dass Kandidaten neben der Vergütung inzwischen zunehmend Wert auf Benefits wie eine betriebliche Altersvorsorge legen. „Alles zusammen bildet am Ende das Gesamtpaket, das den Kandidaten auch dazu bewegen kann, auf einen Teil des Gehaltswunsches zu verzichten.“

 

Das richtige Gehalt: Was sollten Unternehmen bieten?

Dass mehr als nur das Gehalt entscheidend ist, ist eine wichtige Lektion für Unternehmen, wenn sie neue Stellen ausschreiben. Gerade amerikanische Tech-Unternehmen und Start-ups sind da oft kreativ und versuchen immer neue Anreize zu schaffen, um die besten Kandidaten anzulocken und zu halten. Denn beim Realitätscheck Gehalt geht es nicht nur um Bewerber, sondern auch darum bestehende Mitarbeiter zu halten – durch bessere Bezahlung oder indem man nicht-monetäre Anreize schafft, um sie für die gebrachten Leistungen zu ent- und belohnen. Das können teilweise recht simple Anreize sein, die das Arbeitsleben aber sehr viel angenehmer machen: frisches Obst oder Gebäck in der Kaffeeküche, freies (und gutes!) Mittagsessen in der Kantine, Coupons oder Gutscheine für Freizeitaktivitäten oder eine Tagung an einem besonderen Ort, statt im nächsten Konferenzzentrum um die Ecke.

Zurück zum Bewerbungsverfahren: Wie aber gehen Unternehmen damit um, wenn der Wunschkandidat mehr fordert, als das Unternehmen ursprünglich eingeplant hat? „Im ersten Schritt würde ich immer empfehlen – sollte soweit alles andere passen – sich den Kandidaten anzuschauen und anzuhören. Oft sind die Bewerber den höheren Lohn definitiv wert“, sagt Consultant Jana Wosnitza. Wichtigster Punkt sei aber immer die Kommunikation, sagen ihre Kollegen von head for work. „Wenn die Forderung gerechtfertigt ist, man jedoch ein geringeres Budget zur Verfügung hat, sollte mit dem Kandidaten kommuniziert werden, welche Faktoren man ihm noch bieten kann, um ein eventuelles Abweichen von seiner Forderung zu rechtfertigen“, erklärt Oscar Koning. Consultant Sabine Erzmoneit ergänzt dazu, man solle immer ins Gespräch gehen, denn „wenn sich Gehälter ‚nur‘ um einige 1000 Euro im Jahr unterscheiden, kann man sicherlich noch miteinander sprechen“. Schwieriger wird es, wenn die Gehaltsvorstellungen beider sehr weit auseinander gehen. „Wenn die Gehaltsrange zu hoch ist, aber der Kandidat das Wunschprofil mitbringt, muss das Unternehmen vielleicht das Gehaltspaket nochmal überdenken. Auch hierbei gilt am besten offen in den Austausch mit anderen Unternehmen gehen und fragen, wie Gehaltspakete dort geschnürt sind“, sagt Sabine Erzmoneit und zieht das Fazit: „Das Gehalt ist schon lange kein Tabuthema mehr.“

 

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.