Selbstständigkeit oder Festanstellung?

Selbstständigkeit oder Festanstellung?

 

„Endlich frei sein. Endlich eigene Entscheidungen treffen.“ Nicht selten träumen Menschen in Festanstellung davon, sich irgendwann selbstständig zu machen. Selbstständigkeit verspricht Freiheit und den Traum endlich der eigene Chef zu sein und sein Arbeitsleben selbstbestimmt zu leben. „Wäre es nicht schön, wenn ich jeden Monat genau wüsste, wieviel Geld auf dem Konto eingeht? Eine feste Arbeitszeit und weniger Existenzängste, das wäre doch zu schön.“ Selbstständig sein ist nicht immer einfach und so gibt es häufig genug Selbstzweifel, ob man mit der Selbstständigkeit die richtige Entscheidung getroffen hat. Grundsätzlich ist es eine Typfrage und während der Wechsel in eine Festanstellung für einige Freiberufler ein regelrechter Alptraum ist, ist es für andere eine denkbare Option – insbesondere, wenn sie von einem Unternehmen ein gutes Angebot bekommen.

 

Schauen wir also einmal auf die Vor- und Nachteile und darauf, was man bedenken sollte, wenn man vom einen ins andere wechselt.

1. Zeiteinteilung und Zeitmanagement​

„Die Natur meiner Arbeit liegt im Wort selbstständig“, sagt Claudia. „Ich arbeite selbst und ständig. Abends, am Wochenende, teilweise im Urlaub…“ Ihre Freunde lachen manchmal darüber und verweisen auf das „frei“ in freiberuflich: Während die festangestellten Freunde im Büro sitzen, könne sie einfach frei machen – und das mitten in der Woche. Tatsächlich ist die freie Zeiteinteilung einer der großen Vorteile der Selbstständigkeit, weshalb sich diese auch am besten für Menschen eignet, die gut darin sind, sich selbst zu organisieren und sich selbst die Zeit einzuteilen. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass Selbstständige gegebenenfalls ihre Arbeit nicht fertigbekommen, weil sie sich von anderen Dingen ablenken lassen. Viele Freiberufler und Selbstständige kämpfen damit, ein Ende zu finden und „Nein“ zu sagen. Stattdessen machen sie Überstunden oder arbeiten auch am Wochenende – schließlich sind sie finanziell auf jeden Auftrag angewiesen. Oft spielt dabei die Angst eine Rolle, man könnte womöglich Kunden verlieren, ist man nicht dauerhaft erreichbar. Als Selbstständige*r muss man zudem Zeit für Admin und Akquise einplanen, was letztendlich unbezahlte Arbeitszeit ist und bei der Kalkulation von Aufträgen mit einberechnet werden muss. Somit ist die freie Zeiteinteilung für Selbstständige ein zweischneidiges Schwert.

Wie aber sieht es für Angestellte aus? Sie haben natürlich feste Arbeitszeiten und weniger Flexibilität. Das macht es manchmal einfacher, wenn man selbst vielleicht etwas unorganisiert ist und sich gerne auf andere verlässt. Auch kann man nach dem Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit den Computer ausschalten oder das Geschäft abschließen und nach Hause gehen, ohne dass dort noch die Buchhaltung oder die Planung des nächsten Auftrags wartet. Das macht es einfacher, den Schalter im Kopf umzulegen und zu sagen: Jetzt habe ich Feierabend. Jetzt habe ich Freizeit und mache, was mir Spaß macht.

Doch gibt es auch hier das Problem der Überstunden und die fehlende Flexibilität macht es manchmal schwierig, Privatleben und Berufsleben miteinander zu vereinbaren. Inzwischen gibt es aber flexible Arbeitszeitmodelle, was auch Arbeitnehmern gewisse Freiräume einräumt. Letztendlich sind sie da aber immer auf das Wohlwollen des Chefs oder der Chefin angewiesen, während Selbstständige ihre eigenen Arbeitszeitentscheidungen treffen. Selbstständige sind zeitgleich Führungspersonen: Sie müssen die Fähigkeit haben, sich selbst zu führen – und im Falle einer Unternehmensgründung auch andere.

2. Urlaub und Absicherung im Krankheitsfall​

Das gleiche gilt natürlich auch für die Urlaubsplanung: Selbstständige treffen diese Entscheidung selbst und können sich den Urlaub theoretisch so einrichten, wie es ihnen am besten passt. In der Praxis aber ist die Urlaubsplanung oft von äußeren Faktoren beeinflusst: So wird man kaum Urlaub in der Zeit des Jahres nehmen, die für Kunden besonders wichtig ist, oder wenn gerade ein Großauftrag ansteht. Wie bei Arbeitnehmern auch spielen darüber hinaus die Familie und Schulferien eine Rolle.

 

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer weniger Flexibilität, dafür aber bekommen sie ein Urlaubsgeld und sind im Krankheitsfall über den Arbeitgeber abgesichert. Selbstständige hingehen müssen sich um diese Absicherung selbst kümmern, bei Freiberuflern im Kreativbereich zum Beispiel über die Künstlersozialkasse (Krankengeldzahlung ab der 7. Woche). Wer als Selbstständiger ein paar Tage krank ist, hat den Vorteil, dass er sich nicht erst krankschreiben lassen muss und seine Abwesenheit auch niemandem zu erklären braucht. Gleichzeitig bedeutet jeder Tag des Nichtarbeitens einen Verdienstausfall, den man je nach normalem Monatseinkommen nicht immer so einfach auffangen kann. Selbstständige sollten sich also rechtzeitig über Optionen zur privaten Versicherung informieren.

3. Einzelkämpfer oder Teamplayer​

Wer sich selbstständig macht, der muss auch als Einzelkämpfer gut funktionieren, insbesondere in einem Ein-Mann- oder Eine-Frau-Unternehmen. Wer sich schnell einsam fühlt oder die enge Zusammenarbeit mit Kollegen braucht, der wird das als Selbstständige*r schnell vermissen. Im Unternehmen muss man auf der anderen Seite ein*e gute*r Teamspieler*in sein. Wer das nicht kann, bekommt oft Probleme mit Kolleg*innen. Doch auch Selbstständige müssen als Teamplayer funktionieren. Ein Beispiel: Ein Unternehmen bucht einen freiberuflichen Texter, eine Fotografin und einen freiberuflichen Grafik Designer, um neue Broschüren und Flyer zu erstellen. Wenn das alles Einzelspieler sind, die nicht im Team arbeiten und nicht kommunizieren können, dann wird das bei der gemeinsamen Projektarbeit schnell zu Problemen führen. Selbstständig vs. festangestellt  ist also nicht eine Frage von Einzelkämpfer vs. Teamplayer, dennoch müssen Selbstständige in der Lage sein, alleine und selbstorganisiert zu arbeiten – und das sehr viel stärker als Mitarbeiter*innen, die immer in ein Unternehmensteam eingebunden sind.

4. Versteuerung

Verglichen mit Arbeitnehmern haben Selbstständige einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Steuer – dafür ist die Steuererklärung sehr viel aufwändiger und wer sich nicht mühselig in die Grundsätze des Steuerrechts einlesen will, sollte gegebenenfalls einen Steuerberater zur Hilfe ziehen. Dabei ist es aber immer wichtig, dass sich dieser mit dem jeweiligen Berufszweig und den Besonderheiten auskennt. Wer beispielsweise als freiberuflicher Kreativschaffender international arbeitet, der hat möglicherweise Überschneidungen verschiedener Steuergesetze zu beachten, beispielsweise den innereuropäischen Warenverkehr. Zu den großen Themen für Selbstständige gehören die Fahrtkosten (wird der PKW ausschließlich beruflich oder auch privat genutzt?), Kosten für die Bewirtung bei Geschäftsessen, Reisekosten, Anschaffungskosten für zum Beispiel einen neuen Computer, die Geltungsmachung eines Arbeitszimmers oder die private Rentenversicherung. Für Angestellte übernimmt der Arbeitgeber bereits den Großteil der Arbeit, wenn es um das Zahlen von Steuern geht. Dafür können sie bei der Steuererklärung weit weniger Kosten geltend machen, als das bei Selbstständigen der Fall ist.

 

5. Konkurrenzkampf gibt es überall

Ob angestellt oder selbstständig, Konkurrenzkampf gibt es immer, sei es mit den Kolleg*innen um Aufstiegschancen im Unternehmen oder mit Mitbewerbern im Markt. Während Arbeitnehmer*innen aber höchstens bei der nächsten Beförderung zu kurz kommen, kann es für Selbstständige schnell existenzbedrohend werden, wenn sie wiederholt von einem Konkurrenten ausgebotet werden. Dafür müssen sie sich aber nicht mit Kolleg*innen herumschlagen, die so verbissen ihre Karriere vorantreiben, dass das auf Kosten der anderen Mitarbeiter*innen und der Stimmung im Unternehmen geht.

Von der Selbstständigkeit in die Festanstellung – Was ist zu beachten?

 

Plötzlich nicht mehr der eigene Boss – das kann finanziell befreiend sein, erfordert aber eine große Umstellung. Plötzlich kann man nicht mehr einfach selbst Entscheidungen treffen, sondern ist auf das „ok“ der Vorgesetzten angewiesen. Zunächst einmal gibt es gute Gründe, die Selbstständigkeit nicht aufzugeben: die persönliche Unabhängigkeit und Freiheit, der Ehrgeiz, sich selbst etwas Eigenes aufzubauen, die Work-Life-Balance und die damit verbundene bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch kann der Verdienst in der Selbstständigkeit höher liegen. Das allerdings hängt von der Branche und von Angebot und Nachfrage ab.

 

Dann aber gibt es aber tatsächlich gute Gründe, die Selbstständigkeit aufzugeben, beispielsweise, wenn sie nicht zur eigenen Persönlichkeit passt. Nicht jeder ist für die Selbstständigkeit geeignet und nicht selten erkennt man das erst, wenn man es einmal ausprobiert hat. Sich dann dafür zu entscheiden, wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren ist keine Schande oder kein Eingeständnis von Schwäche, sondern schlichtweg eine logische Entscheidung. Nicht jeder arbeitet gerne allein und unter dem Druck, der oft mit der Selbstständigkeit verbunden ist. Ein Angestelltenverhältnis bietet mehr Sicherheit, Stabilität und Berechenbarkeit und das kann wichtig sein, wenn zum Beispiel eine Familie auf einen angewiesen ist – oder in wirtschaftlichen Krisenzeiten, in denen man das finanzielle Risiko einer Selbstständigkeit nicht mehr tragen kann und möchte. Auch fällt es vielen Selbstständigen schwer, nach der Arbeit abzuschalten und sie kämpfen mit den zusätzlichen Aufgaben wie der Buchhaltung. Das fällt mit der Festanstellung weg und kann ein guter Grund sein, die Selbstständigkeit aufzugeben.

Führung

Bleibt nur die Frage: Wie?

Zunächst einmal sollte man sich über den derzeitigen Arbeitsmarkt und üblichen Gehaltsvorstellungen informieren. Auch sollte man seine Bewerbungsfähigkeiten und den Lebenslauf auffrischen. Gerade, wer lange freiberuflich oder selbstständig gearbeitet hat, sieht sich einem komplett anderen Arbeitsmarkt gegenüber als noch vor wenigen Jahren. Darunter fällt beispielsweise das verstärkte Recruiting über Online-Kanäle. Es macht also Sinn, auch hier die entsprechenden Kanäle via LinkedIn oder Xing bereitzuhalten. Da auch ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte fehlt, die einem entsprechende Referenzen geben kann, ist es hilfreich, Klienten und Kunden um eine Referenz oder Feedback auf LinkedIn oder Google zu bitten, falls man dort ein Unternehmensprofil eingerichtet hat. Darüber hinaus sollte man sich immer gut überlegen, wie man den Schritt aus der Selbstständigkeit in die Festanstellung gegenüber einem potentiellen Arbeitgeber rechtfertigt. Dies kann man beispielsweise im Anschreiben tun. Hier sollte man auch erwähnen, welchen Mehrwert ein Unternehmen davon hat, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der selbstständig gewirtschaftet hat. Wer sich ganz unsicher ist, der sollte diese Themen genauer nachlesen oder sich gegebenenfalls Hilfe von Recruitern holen, die eine entsprechende Erfahrung mitbringen und bei der Vermittlung helfen können.

 


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