Work-Life-Balance: Home-Office vs. Arbeit im Büro

Viele haben in den vergangenen Wochen oder Monaten erstmals Erfahrung mit dauerhafter Arbeit im Homeoffice gemacht: die einen lieben es, die anderen konnten es kaum abwarten, endlich wieder ins Büro zurückzukommen – zu den Kollegen und in die gewohnte Arbeitsumgebung. Beides, Homeoffice und Arbeit im Büro beim Arbeitgeber, haben Vor- und Nachteile, sowohl für das eigene Arbeitsverhalten und die eigene Effizienz, als auch für die Work-Life Balance und das Privatleben. Während es sich manchmal zuhause vielleicht besser arbeiten lässt, da Kollegen einen nicht so schnell ablenken, ist es zeitgleich oft schwierig Privates und Arbeit zu trennen. Unter Freiberuflern heißt es daher oft nicht „ich arbeite von Zuhause“, sondern „ich lebe auf der Arbeit“. Was also ist besser? Und warum? 10 Punkte zeigen das Pro und Contra.

Pro Home-Office

1. Weniger Ablenkung, größere Kreativität

Wer kennt das nicht: Man sitzt im Büro, hat gerade die richtige Motivation gefunden, am Projekt zu arbeiten, es läuft richtig gut und dann steht der Kollege oder die Kollegin in der Tür und möchte unbedingt etwas besprechen. Hinterher weiß man nicht mehr, wo man eigentlich stehen geblieben war, der Kreativitätsschub ist weg. Ebenso störend kann im Büro die Geräuschkulisse sein: Da ist zum Beispiel die eine Kollegin, die stundenlang am Telefon hängt und dabei den ganzen Raum beschallt. Dann surrt der Drucker, die Tür knallt, jemand ruft über den Flur. Im Homeoffice fallen diese Formen der Ablenkung weg – wenn nicht Kind und Kegel zuhause sind. Das heißt: Im Homeoffice fällt es oft leichter, sich zu konzentrieren. Die Ruhe in einer Atmosphäre, die auf das eigene Arbeitsverhalten zugeschnitten ist, befördert die Kreativität und Produktivität. Oft fällt es leichter, auch über komplizierte Probleme nachzudenken.

Zoom, Skype, Mycrosoft Teams machen es natürlich möglich, auch dann Meetings zu halten, wenn alle von Zuhause arbeiten – einige Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit exzessiv. Homeoffice bietet aber tatsächlich die Chance viele unnötige Meetings auf ein Minimum zu reduzieren. Sind zum Beispiel alle Mitarbeiter nur dienstags und mittwochs anwesend, dann lassen sich hier die Meetings bündeln, währen die Mitarbeiter an den anderen Tagen ungestört arbeiten können. Denn für den Workflow haben Meetings oft den gleichen Effekt, wie der Kollege in der Bürotür: Einmal bei der Arbeit unterbrochen, ist es schwierig, in den alten, kreativen Rhythmus zurückzufinden.

2. Zeitersparnis: Keine langen Pendelzeiten

Gerade wer in der Stadt oder in dicht besiedelten Gegenden wohnt, für den wird der Weg zur Arbeit und wieder zurück zu einem täglichen Mini-Alptraum. Staus oder überfüllte Busse und Bahnen kosten viel Zeit und Energie. Tatsächlich ist der Weg von und zur Arbeit einer der größten Stressfaktoren in der Arbeitswelt und reduziert laut Studien das Wohlbefinden. Wer also regelmäßig im Homeoffice arbeitet, der spart sich viel Stress. Julia* zum Beispiel geht das so: Sie kann zuhause viel besser arbeiten. Nicht nur, weil viel Ablenkung wegfällt, sondern weil der tägliche Weg zur und von der Arbeit sie jeden Tag 90-120 Minuten kostet. Abends ist sie dann müde, muss aber noch den Haushalt machen oder Einkäufe erledigen. Zeit für Sport und Freizeit fehlt. Das körperliche Wohlbefinden leidet – und damit auch die Leistungsfähigkeit. Seit ihr Unternehmen Homeoffice erlaubt arbeitet sie schneller und genauer und der Job, den sie lange als zu stressig empfand, macht ihr wieder Spaß.

3. Pausen- und Ruhezeiten

Gerade im Homeoffice ist Zeitmanagement wichtig (siehe auch Contra Homeoffice). Die Arbeit zuhause erlaubt es, Pausenzeiten individueller zu gestalten und auf den eigenen Lebens- und Arbeitsrhythmus zuzuschneiden. Der Körper braucht etwa alle 90 Minuten eine kleine Verschnaufpause. 20 Minuten im Garten oder ein Spaziergang um den Block können da Wunder wirken. Dehnübungen oder eine Runde Sport in der Mittagspause helfen gegen Muskelverspannungen und Schulterschmerzen. Auch ein kleines Nickerchen zwischendrin kann die Konzentration befördern. In Japan gibt es ein Wort für das kurze Schläfchen am Arbeitsplatz, in der U-Bahn oder im Café: inemuri. *

Grundsätzlich gilt: Ein regelmäßiger Rhythmus ist wichtig und man sollte Pausenzeiten mit den Chefs und den Kollegen kommunizieren, so dass sie nicht umsonst versuchen, einen zu erreichen oder man wichtige Infos verpasst.

4. Höhere Motivation durch mehr Selbstbestimmung

Ständige Kontrollen und Misstrauen, ob man auch wirklich arbeitet, können sehr demotivierend sein. Homeoffice ist daher auch ein Ausdruck des Vertrauens. Als Chef kommuniziere ich: „Ich vertraue darauf, dass du deine Arbeit gut machst, ohne dass ich dich beobachte oder kontrolliere.“ Diese Form der Selbstkontrolle und Selbstbestimmung steigert die Motivation. Das klingt erst einmal simpel, für viele Arbeitgeber ist es aber mit der Angst vor komplettem Kontrollverlusts verbunden. Manchmal ist jedoch genau dieses freiwillige Aufgeben von Kontrolle von Arbeitgeberseite entscheidend, um Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden und ein gutes und vertrauensvolles Arbeitsklima zu schaffen.

5. Bessere Work-Life-Balance

Homeoffice kann eine bessere Work-Life-Balance befördern. Angestellte mit festen Arbeitszeiten beklagen oft, dass sie zu nichts anderem mehr kommen, als zu arbeiten: Einkaufen, Wäsche waschen, das Bad putzen… auch das ist Arbeit und das kostet Zeit. Oft verschiebt es sich auf das Wochenende, so dass kaum noch Zeit bleibt, sich auszuruhen und Energie zu tanken. Wer aber zuhause arbeitet, kann nebenbei unbesorgt die Waschmaschine laufen lassen und die Wäsche in der Mittagspause schnell aufhängen. Bei Spaziergang um den Block, kann man auch noch schnell beim Bäcker reinspringen oder Blumen kaufen. Die Lieferung von Amazon kommt ausnahmsweise auch mal an und landet nicht beim Nachbarn. Und wer auf neue Daten oder Infos per E-Mail wartet, kann auch schnell einmal im Wohnzimmer saugen, statt wie im Büro stundenlang im Internet zu surfen, um die Zeit tot zu schlagen bis man weiterarbeiten kann.

Contra Home-Office

6. Andere Formen der Ablenkung

„Ich gehe ständig an den Kühlschrank!“ beschwert sich Iris*, die ihr Büro zunächst in einer Küchenecke eingerichtet hatte, dann im Gästezimmer. Schließlich kann man zuhause so oft, wie man will, vom Schreibtisch aufstehen, ohne von den Kollegen dabei beobachtet zu werden. Die im letzten Punkt angesprochene bessere Work-Life-Balance funktioniert daher nicht immer: Steht eine ungeliebte Aufgabe auf der Arbeit an, scheint der Berg Abwasch in der Küche plötzlich doch sehr attraktiv. Klare Strukturen und ein fester Arbeitsplatz – oder noch besser: ein richtiges Büro zuhause – helfen, diese Ablenkungen zu minimieren. Es ist aber auch eine Typ-Frage: Wer Druck braucht, um effektiv zu arbeiten, dem fällt es meist viel schwerer, zu Hause zu arbeiten, als demjenigen, der sich gut selbst motivieren und disziplinieren kann.

7. Keine ausreichende Trennung von Privat- und Arbeitsleben

Auch dies ist eine Kehrseite von Punkt 5: Die Versuchung, mal schnell während der Arbeitszeit Staub zu wischen oder nach Büroschluss schnell eine, zwei, drei… zehn E-Mails zu schreiben, ist groß. Wer zuhause arbeitet, dehnt oft unbewusst die Arbeitszeit aus. Während im Büro irgendwann das Licht ausgeht, muss man zuhause selbst den Schlusspunkt finden. Das ist manchmal schwierig – gerade, wenn es gut läuft und man vorankommt. Auch hier sind klare Regeln notwendig: Arbeitsmittel wie Computer und ausgedruckte Unterlagen verbleiben besser auf dem Schreibtisch, sonst erobern sie nach und nach den gesamten Privatbereich. Abends gilt: Tür zum Büro zu machen oder zumindest die Unterlagen verstauen und den Computer ausmachen. Mit der Arbeit ständig im Blick fällt es sonst schwer, den Feierabend zu genießen. Häufig kommt dann das schlechte Gewissen, weil irgendetwas nicht fertig geworden ist. „Ich könnte ja noch schnell…“

8. Der persönliche Kontakt zu den Kollegen fehlt

Gerade für sozial orientierte Menschen ist dies ein wichtiger Punkt: Sie brauchen den persönlichen Austausch mit Kollegen, den Office-Gossip in der Teeküche oder das aufmunternde Gespräch nach einem anstrengenden Telefonat. Dauerhaftes Arbeiten im Homeoffice schwächt informelle Netzwerke mit Kollegen und Vorgesetzten. Auch das Teambuilding in Unternehmen kann leiden, wenn Mitarbeiter sich nicht mehr regelmäßig von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen. Viele Aufgaben lassen sich nur im Team bewältigen und das ist schwierig, wenn jeder dauerhaft von zuhause arbeitet.

9. Mangelhafte oder nicht vorhandene Ausstattung

Ein Homeoffice muss entsprechend eingerichtet sein, damit sich die Arbeit auch erfolgreich von zuhause erledigen lässt. Eine zuverlässige Internetverbindung ist zum Beispiel wichtig. Und die gestaltet sich auf dem platten Land manchmal schon schwierig. Auch braucht man einen entsprechend leistungsstarken Computer und die entsprechende Software. Hier sind Unternehmen am Zug, die Mitarbeiter entsprechend auszustatten. Ohnehin müssen Unternehmen die entsprechende IT-Struktur schaffen, zum Beispiel den sichere Datenzugriff auf eine Unternehmenscloud. Für manche Arbeiten ist Homeoffice überhaupt nicht geeignet. Das gilt nicht nur für Industrieunternehmen, wo man natürlich die entsprechenden Maschinen braucht, sondern zum Beispiel auch für Mitarbeiter in Labors oder Forschungseinrichtungen. Die entsprechende Infrastruktur lässt sich zuhause nicht schaffen. Das heißt, nur bestimmte Arbeiten können von zuhause erledigt werden – die Datenauswertung zum Beispiel oder administrative Aufgaben. Homeoffice ist also keine „One-for-all“-Lösung.

10. Zu wenig Disziplin vs. Selbstausbeutung

Homeoffice erfordert viel Selbstmanagement. Das sollte bereits in den voran gegangenen Punkten deutlich geworden sein. Daher an dieser Stelle nur ganz kurz: zwei der größten Risikofaktoren sind a. fehlende Disziplin und b. als Gegenbeispiel die zu große Selbstausbeutung. Wer keine Disziplin hat, kann sich zuhause schnell verzetteln. Workaholics hingegen verlieren oft das eigene Privatleben aus dem Blick und arbeiten 50, 60, 70 Stunden in der Woche. Sie verbleiben selbst in der Freizeit im Arbeitsmodus, vernachlässigen die eigenen Hobbies, Freunde und Familie – weil sie im Kopf nicht abschalten können. Beides sind aber oft angelernte Mechanismen. Schulungen und Trainings können hier helfen. Auch bei diesem Punkt sind Unternehmen gefragt, Mitarbeitern die entsprechende Hilfestellung anzubieten.

Fazit: Die richtige Balance finden

Wie bei so vielen Dingen ist beim Thema Homeoffice die richtige Balance gefragt. Andreas** zum Beispiel hofft in Zukunft Homeoffice und Arbeit im Büro miteinander zu verbinden: ein, zwei Mal in der Woche ins Büro für Besprechungen und um sich mit Kollegen auszutauschen, den Rest möchte er von zuhause arbeiten. Da fällt es ihm leichter, sich – ohne Ablenkung – zu konzentrieren.

Homeoffice oder Büro ist auch eine Typ-Frage: Wer sich gerne mit den Kollegen austauscht und diesen Austausch für die eigene Motivation braucht, dem fällt die Arbeit Zuhause sehr schwer. Umgekehrt gibt es Menschen, die sich besser konzentrieren können, wenn sie niemanden um sich haben. Das heißt nicht, dass sie den Austausch mit Kollegen nicht brauchen: Sie brauchen ihn für die Arbeit an gemeinsamen Projekten, um Strategien zu besprechen oder um übergeordnete Probleme zu lösen. Der soziale Austausch ist für sie aber nebensächlich und befördert nicht ihre Kreativität. Unternehmen sollten daher individuelle Lösungen, zugeschnitten auf Arbeitsverhalten und Aufgabenportfolio, diskutieren – weg von festgefahrenen und oft veralteten Arbeitsstrukturen und hin zu einer Arbeitsumgebung, die es Mitarbeitern erlaubt, das Beste aus sich selbst herauszuholen. Zuhause und im Büro.

*Link: http://www.openculture.com/2017/12/inemuri-the-japanese-art-of-taking-power-naps-at-work-on-the-subway-and-other-public-places.htm

**Namen geändert

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.