Künstliche Intelligenz (KI) im Recruiting

Was noch vor wenigen Jahren wie Science-Fiction klang, ist heute bereits Realität: Künstliche Intelligenz (KI) – oder Artificial Intelligence (AI) auf Englisch – verändert bereits heute das Recruiting. Richtig eingesetzt können die Erlebnisse von Recruitern und Kandidat*innen gleichermaßen verbessert werden. KI kann Unternehmen dabei unterstützen, die besten Talente zu finden. Der Suchradius und Talentpool wird erweitert und bei Recruitern werden bestehende unterbewusste Vorurteile ausgeräumt. Das sehen jedenfalls die Befürworter von KI so. Doch gibt es auch Schattenseiten derer sich Unternehmen bewusst sein müssen, wenn sie über den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting nachdenken?

Wie funktioniert künstliche Intelligenz im Recruiting?

Derzeit lässt sich künstliche Intelligenz im Recruiting unter anderem dazu nutzen, neue Kandidat*innen zu finden und zu sichten. KI trifft dabei keine Rekrutierungsentscheidungen. Vielmehr sortiert der Computer Kandidat*innen vor, bevor menschliche Recruiter oder Mitarbeiter*innen in der Personalabteilung die engere Auswahl vornehmen. Der Einsatz von KI hat dabei den Vorteil, dass sich größere Datenmengen schneller und effizienter sichten lassen.

Jeder, der in der Rekrutierungsbranche und als Personaler*in arbeitet, weiß wie zeitaufwändig und kompliziert es sein kann, interne Datenbanken oder auch Portale wie LinkedIn und Xing nach geeigneten Kandidat*innen zu durchsuchen. Und das nur um diejenigen zu finden, die die passenden Voraussetzungen und Erfahrungen für den ausgeschriebenen Job mitbringen. Oft bedeutet dies, hunderte Lebensläufe zu durchsuchen. Da erscheint ein*e Kandidat*in vielversprechend, nur um dann festzustellen, dass eine entscheidende Qualifikation fehlt. Das Training, um die QUalifikation zu erreichen, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Der oder die neue Mitarbeiter*in wird aber so schnell wie möglich gebraucht. Das kann den Rekrutierungsprozess sehr frustrierend machen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Auswahl von Kandidat*innen, die man zum Interview einladen möchte, pro Stelle rund 23 Stunden kostet. Das sind mehrere Arbeitstage. Mit KI lässt sich dies deutlich reduzieren.

Welche Möglichkeiten bietet Künstliche Intelligenz im Recruiting aktuell?

Derzeit gibt es bereits etliche Programme auf dem Markt, die sich in Computersysteme von Personalabteilungen (oder Rekrutierungsunternehmen) einbinden lassen. Damit können ganz automatisch tausende Lebensläufe basierend auf bestimmten Voreinstellungen gescant werden. Ein vereinfachtes Beispiel: Ist für die Stelle zwingend ein Hochschulabschluss Voraussetzung, dann kann ein KI-Programm automatisch all diejenigen Kandidat*innen aussortieren, die keinen Hochschulabschluss mitbringen. So reduziert man bereits die Anzahl geeigneter Kandidat*innen. Je mehr Filter man nutzt, desto präziser wird diese Auswahl und desto überschaubarer wird der Kandidatenpool.

Tatsächlich sagen ein Großteil von Personalern und Recruitern, dass die Vorauswahl aus einem oft unüberschaubaren Kandidatenpool der schwierigste Teil ihrer Arbeit ist. Bedenkt man, dass die Konkurrenz um die besten Köpfe sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird, dann wird klar, wie wichtig Schnelligkeit und Präzision in der Vorauswahl sind. Wer nicht schnell genug handelt, der verpasst womöglich die Chance den perfekten Kandidaten oder die perfekte Kandidatin anzuheuern.

Übernimmt ein Computerprogramm die Vorauswahl, dann haben Personaler*innen und Recruiter mehr Zeit und Freiräume, um sich um die ‚menschlichen‘ Aspekte zu kümmern. Das heißt um den tatsächlichen Kontakt mit Kandidat*innen, persönliche Gespräche und das Netzwerken, das wichtig ist, um gute Beziehungen zu potenziellen Kandidat*innen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

Anwendungsbereiche künstlicher Intelligenz im Recruiting

Wie genau lässt sich KI also in Unternehmen nutzen? Ein paar Anwendungsbeispiele sind an dieser Stelle hilfreich:

  1. Screening Software: Das wurde bereits angesprochen. Computerprogramme mit künstlicher Intelligenz können die bestehende Datenbank mit Bewerbungsunterlagen nach geeigneten Kandidat*innen durchsuchen. Dabei muss es sich nicht nur um Kandidat*innen handeln, die sich aktiv auf die ausgeschriebene Stelle beworben haben. Es können auch ältere Bewerbungsunterlagen von Leuten einbezogen werden, die irgendwann einmal Interesse am Unternehmen gezeigt haben und beispielsweise eine Initiativbewerbung geschickt haben. Die Software kann zudem auf öffentliche Datenbanken zugreifen und den Lebenslauf mit verfügbaren Daten im Internet abgleichen. Beispielsweise mit dem Profiltext auf der Seite des vorangegangenen Arbeitgebers oder mit Artikeln, die die Kandidat*innen veröffentlicht haben etc. Das schafft ein klareres Bewerberprofil.
  2. Chatbots: Diese werden gerade im Recruitingbereich getestet. Sie können zum Beispiel automatisierte Updates zum Bewerbungsverfahren verschicken oder auf einfache Rückfragen im Online-Chat antworten. Ein Beispiel: Eine Kandidat*in fragt nach dem Status der Bewerbung via Website-Chatbot. Die Anfrage wird umgehend damit beantowrtet, dass die Unterlagen gerade gesichtet werden und die Shortlist an Bewerbern in der nächsten Woche feststeht. Dabei sollte man aber bedenken, dass diese Chatbots nur generalisierte Antworten bereitstellen können. Detailliertere Rückfragen sollten immer ein Recruiter selbst oder in Unternehmen entsprechend die Personalabteilung beantworten.
  3. KI kann darüber hinaus für eine Sprachanalyse genutzt werden, um beispielweise in Lebensläufen oder Anschreiben nach Ausdrücken zu suchen, die unbewusste Vorurteile ausdrücken. Auf der anderen Seite lassen sich mit KI auch Vorurteile bei den Recruitern selbst eliminieren. Ein Beispiel: Ein Personaler hat einen Abschluss von einer international anerkannten Universität. Im Bewerbungsverfahren fühlt er sich automatisch zu den Bewerbungen hingezogen, die einen Abschluss von derselben Universität erwähnen. Das ist keine bewusste Entscheidung, sondern beruht auf unterbewussten Präferenzen, die sich nur schwer ausschalten lassen. Im Englischen spricht man hier von Unconscious Bias.

Künstliche Intelligenz als Langfriststrategie

KI ist außerdem gut für eine Langfriststrategie im Recruiting: Diese endet nicht mit der erfolgreichen Anstellung eines neuen Mitarbeiters oder einer neuen Mitarbeiterin. Wer erfolgreich sein will, der sollte zudem auf eine Analyse der Bewerberdaten setzen. Mit Hilfe von KI lässt sich der Talentpool analysieren, um einen Überblick zu bekommen, wer sich auf Stellen bewirbt und ob sich darin bestimmte Muster zeigen. Auch lässt sich prüfen, wie viele der von Recruitern vermittelten (oder vom Unternehmen selbst eingestellten) Kandidat*innen tatsächlich im Unternehmen verbleiben. Darauf basierend kann man dann seine Rekrutierungs- und Bewerbungsprozesse anpassen.

Die Vorteile künstlicher Intelligenz

Zusammengefasst bringt Künstliche Intelligenz im Recruiting also viele Vorteile:

  1. Zeitaufwändige und auf einer Masse von Daten beruhende Aufgaben, wie das Ausfiltern geeigneter Kandidat*innen lassen sich automatisieren. Damit lässt sich der Zeitaufwand für Rekrutierer und Personalabteilungen deutlich verringern. Gute KI-Programme lassen sich zudem in bestehende Systeme und Workflows integrieren.
  2. Bessere Qualität durch standardisierte Verfahren: Dies basiert auf der Sammlung von Daten im Recruiting, beachten Sie hier aber die entsprechenden Datenschutzrichtlinien. KI hilft dabei, die Daten zu analysieren und für bestimmte Positionen Standards festzulegen, also zum Beispiel Universitätsabschluss und Erfahrung. Dies unterstützt nicht nur dabei, die perfekt passenden Kandidat*innen zu finden, sondern macht Entscheidungen transparent und gerechter. Mitarbeiter*innen auf der gleichen Ebene haben ähnliche Erfahrungen und niemand bekommt das Gefühl, dass die Entscheidungen willkürlich sind und jemand die Stelle nur bekommen hat, weil der Chef sie oder ihn mag.

Probleme und Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz im Recruiting

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und das gilt auch für künstliche Intelligenz im Recruiting von Mitarbeiter*innen. Um erfolgreich zu sein, braucht künstliche Intelligenz einen guten Datensatz, um daraus zu lernen. Das kann bedeuten, dass man das System erst einmal mit Tausenden Lebensläufen füttern muss. Erst dann erkennt es, was die wichtigen Kriterien sind und wie es diese ausfiltern kann. Und bei diesem Datensatz muss man vorsichtig sein. Denn tatsächlich kann künstliche Intelligenz Vorurteile von Menschen lernen und dann beispielweise Menschen mit einem bestimmten Geschlecht aussortieren. Vereinfacht gesprochen: Wenn man einem Computersystem 2000 Lebensläufe für einen Ingenieur zeigt und all diese Lebensläufe sind von einem Mann, dann lernt das System dies automatisch als ein Standardkriterium. Künstliche Intelligenz kann also all die Vorurteile und Fehlannahmen übernehmen, die unbewusst vielleicht bereits im Rekrutierungsprozess bestehen. Dessen sollte man sich bewusst sein und bei der Schulung des Systems gezielt darauf achten, was man als Trainingsgrundlage für die neue Software nutzt.

Worauf ist bei der Wahl der KI-Software zu achten?

Was ist bei der Auswahl des Herstellers der Software zu beachten? Man sollte sich immer genau informieren, was als Basis des Trainings genutzt wurde. Um erneut ein kurzes Beispiel zu geben: Inzwischen versuchen einige Unternehmen ChatGPT unterstützend zur Texterstellung zu nutzen. Wer aber die kostenfreie Version nutzt, muss mit einem veralteten Datensatz leben, der 2021 endet. Zudem sollte man hier auch keine sensiblen Daten eingeben. Wer ChatGPT dafür nutzt, um Antwortschreiben an Kandidat*innen zu verfassen, sollte vorsichtig sein, wie viele interne Informationen man hier einfließen lässt.

Sollte man Künstliche Intelligenz also nutzen, oder nicht? Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel die Kosten: Nicht für jedes Unternehmen lohnt es sich finanziell, in künstliche Intelligenz zu investieren, wenn sie beispielsweise nur wenige neue Stellen im Jahr zu besetzen haben. Man sollte also genau die eigenen Bedürfnisse abwägen und sich über Produkte am Markt informieren, bevor man eine Entscheidung trifft. Auch sollte man sich genau über Datenschutzrichtlinien informieren und welche Art Daten die Software nutzt und speichert, damit man mit allen gesetzlichen Vorgaben konform geht. Künstliche Intelligenz im Recruiting ist also nicht eine schnelle Entscheidung. Der Einsatz sollte strategisch geplant werden, damit sie auch tatsächlich in die bestehende Infrastruktur, rechtliche Vorgaben und interne Prozesse passt.

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.