Mutter im Job –
Ein ständiger Balanceakt

Mutter mit Kleinkind/Schulkind

Hannah* hat ein Problem mit ihrem Chef: Als Mutter von drei Kindern musste sie im vergangenen Winter häufig Krankentage und Urlaub einreichen. Entweder war eines der Kinder krank oder sie hatte keine Kinderbetreuung, weil der Kindergarten unterbesetzt ist und die Kindergärtner*innen selbst krankheitsbedingt ausfielen. Jetzt hat sich Hannah* eine Grippe eingefangen und muss ein paar Tage zuhause bleiben. Der Chef ist sauer, denn auch sein Unternehmen hat in diesem Winter mit vielen krankheitsbedingten Ausfällen zu kämpfen. Da kann er keine weitere kranke Mitarbeiterin gebrauchen.

Unbezahlte Pflegearbeit und Kinderbetreuung sind noch immer Frauensache

Hier zeigt sich ein generelles Problem, mit dem vor allem Frauen in der Berufswelt zu kämpfen haben: Noch immer übernehmen sie einen Großteil der unbezahlten Pflegearbeit und Arbeit zuhause – sei es die Betreuung der Kinder oder die Pflege kranker bzw. alter Familienangehöriger. Im Schnitt übernehmen sie durchschnittlich rund 50 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit am Tag als Männer.

Nicht selten wechseln Frauen dafür in die Teilzeitarbeit. Das wirkt sich dann beispielsweise auch auf die Gender Pay Gap im Land aus. Die liegt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt unbereinigt bei 18 Prozent, was unter anderem mit der Teilzeitarbeit zu tun hat, die in die unbereinigte Statistik mit einfließt. Bereinigt und exklusive Teilzeitarbeit liegt die Gender Pay Gap aber immer noch bei 7 Prozent. Frauen entschließen sich häufig im Beruf kürzer zu treten und nur noch in Teilzeit zu arbeiten, um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Entschließen sich Männer zur Teilzeitarbeit hat das hingegen oft einen anderen Grund: Sie wünschen sich mehr Freizeit. Das hat zumindest eine Studie von Xing ergeben. Familie kam bei ihnen an zweiter Stelle. Wenn es um Teilzeitarbeit und Familienbetreuung geht, dann verfallen Mann und Frau also noch immer in klassische Rollenverteilungen.

Die Zahlen des statistischen Bundesamts spiegeln das klar wider: Zwar sind 75% der Mütter erwerbstätig, doch arbeiten Mütter jüngerer Kinder in Deutschland „doppelt so häufig Teilzeit wie im EU-Durchschnitt“, so eine Pressemitteilung von 2022. 2020 hätte ein Drittel aller erwerbstätigen Mütter in Teilzeit gearbeitet (ca. 66%), bei Vätern lag die Teilzeitarbeit aber gerade einmal bei knapp 7 Prozent.

Mütter sind aufgrund der Doppelbelastung im Berufs- und Privatleben einem höheren Stresslevel ausgesetzt, was gleichzeitig bedeutet, dass sie häufig eine bessere psychische Widerstandsfähigkeit und Resilienz haben. Das wird von den Kolleg*innen und Vorgesetzten oft nicht anerkannt. Sie sehen lediglich die Abwesenheit der Mütter, ignorieren dabei aber ihre herausragende Leistungsfähigkeit.

Homeoffice ist keine Ausrede

Mütter im Berufsleben haben das sicher schon öfter gehört: „Machst du etwa schon wieder Homeoffice?“ Das Kind ist krank, es sind Schulferien und so entschließt sich frau von zuhause zu arbeiten, um neben der Arbeit auf das Kind aufzupassen. Doppelter Stress, doppelte Arbeit, doch die Kolleg*innen tun so, als würde man zuhause bleiben, um sich auszuruhen und nicht die volle Arbeit zu leisten. Dabei hat sich insbesondere in den Covid-Lockdowns gezeigt, dass sich im Homeoffice die unbezahlte Sorgearbeit noch mehr zu Lasten der Frauen verschoben hat. Mütter sehen sich so neben der Doppelbelastung obendrein unfairer Stereotype ausgesetzt: Sie seien unzuverlässig, wären immer abwesend, ergo würden nicht genügend Leistung erbringen. Dabei ist meist das Gegenteil der Fall.

Ein weiteres Beispiel: Annette* hat jahrelang in der Medienbranche gearbeitet – unter viel Druck und ständiger Anwesenheitspflicht. Nach der Scheidung ist sie alleinerziehende Mutter und ist häufig auf die Hilfe von Freunden angewiesen, um auch nach der „normalen“ Arbeitszeit noch verfügbar zu sein und zum Beispiel Abendschichten zu übernehmen. Das macht sie so oft es geht, um ja nicht in den Ruf zu geraten, dass sie ihr Mutterdasein über den Beruf stellt. Dann kommt am Nachmittag die Anfrage, ein Event am Abend zu betreuen, die Kolleg*innen sind bereits anderweitig eingeplant, Annette* versucht verzweifelt, eine Kinderbetreuung zu organisieren, doch ohne Erfolg. Sie muss absagen. Im Nebenzimmer überhört sie einen männlichen Kollegen: „Und das ist der Grund, warum Mütter nicht in diesem Beruf arbeiten sollten.“ Beschwert hat sich Annette* darüber nie.

Kein Feierabendbier und kurze Pause

Das ist ein recht harsches Beispiel, aber grundsätzlich sind Mütter im Sozialgefüge von Unternehmen oft benachteiligt. Oft arbeiten sie die Pause durch oder verkürzen sie, damit sie rechtzeitig Schluss machen können, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Da verliert man schnell den Anschluss oder gilt als Einsiedler. Neue Kolleg*innen kennenzulernen ist ebenfalls schwierig und auch das Feierabendbier ist oft nicht drin, weil zuhause die Kinder, der Partner oder die Partnerin und nicht selten der Haushalt auf einen warten. Julia* hatte jüngst dieses Problem: Nach einer sehr erfolgreichen Präsentation lud die Chefin sie ein, am Abend zum schicken Kundendinner mitzukommen. Das war ursprünglich nicht geplant und wäre eigentlich gut für Julias* Karriere. Doch ihr Partner hat bereits berufliche Pläne für den Abend – er arbeitet an einer Universität und hat einen Abendvortrag – und kurzfristig bekommen sie keine Kinderbetreuung. Julia* muss absagen. Noch Tage später ärgert sie sich darüber.

Das immer schlechte Gewissen

Frau am Schreibtisch/bei der Arbeit
Oft müssen Frauen im Berufsalltag zurückstecken, denn noch immer übernehmen sie einen Großteil der unbezahlten Pflegearbeit.

Oft genug kommt entweder während oder nach der Arbeit das schlechte Gewissen: Hat man die Kinder wegen der letzten Überstunden vernachlässigt? Sind die Kollegen sauer, weil man zwei Mal hintereinander früher gehen musste? Der Druck von außen ist groß, häufig genug kommen dazu die eigene Unsicherheit und Stereotype die Frauen verinnerlicht haben. Rational weiß man, dass man einen guten Job macht, aber dann ist da diese unbequeme Stimme im Innern, die Zweifel rührt. Man will ja keine Rabenmutter sein… aber auch kein Hausmütterchen, das zugunsten der Familie den Beruf vernachlässigt. Nicht selten sieht man sich dann in den Medien mit Schlagzeilen konfrontiert wie „so verbinden Sie Familie und Beruf erfolgreich“ oder „diese Frau hat alles“ und das schürt Selbstzweifel – gerade, wenn es einmal nicht so gut läuft und es Probleme mit der Kinderbetreuung gibt oder der Druck zu groß wird.

 

Was aber kann man dann tun? Zum einen sind Arbeitgeber und die Gesellschaft gefragt, denn solange die gesellschaftlichen Voraussetzungen nicht stimmen, können sich Mütter noch so viel Mühe geben, sie werden immer über unnötige Steine stolpern. Es fehlt an Kinderbetreuern in der Kita und an Lehrer*innen in den Schulen und ausbaden müssen das dann meist die Mütter, die die Kinder früher abholen müssen. Die Bahn streikt, die Bussen fahren nicht… und wieder sind die Mütter am Zug. Es muss sich also noch immer in der Gesellschaft viel ändern, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich zu garantieren.

Darüber hinaus sind aber auch Arbeitgeber gefragt. Dabei geht es nicht nur darum, flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten zu ermöglichen, sondern ein generelles Umdenken zu fördern: Eine Mutter im Homeoffice ist keine Belastung, sondern eine Leistungsträgerin, die gelernt hat, auch unter besonderem Druck voll zu funktionieren. Wenn die Kolleg*innen planen, abends nach der Arbeit auszugehen, dann sollte man als Chef*in gegebenenfalls darauf hinweisen, dass man das etwas im Voraus plant, so dass die Kolleg*innen mit Kindern eine entsprechende Betreuung organisieren können. Das sind nur einige wenige Beispiele.

Konkret sollten Unternehmen offen darüber kommunizieren, was Mütter brauchen, was Kolleg*innen tun können und wo vielleicht die Kolleg*innen ohne Kinder eine Grenze ziehen. Beispiel Katrin*. Die ist Single und ohne Kinder und genervt: Zwischen Weihnachten und Neujahr wird sie als einzige zur Bereitschaft herangezogen, über Ostern bekommt sie nicht frei und zwischen Anfang Juni und Ende August darf sie keinen Urlaub einreichen – wegen der Sommerferien. Auch das ist nicht gerecht. Wie immer geht es also im die richtige Balance, sonst überrascht es nicht, dass sich am Ende beide Seiten – Mütter mit Kindern und Singles ohne Kinder – benachteiligt fühlen und im Job unglücklich sind.

*Namen geändert.

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* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.