Und plötzlich Home-Office

Einsteiger-Tipps für die Arbeit von Zuhause

Ich arbeite seit gut zehn Jahre freiberuflich und etwa die Hälfte davon nahezu ausschließlich von meinem Home-Office. Am Anfang war das eine echte Herausforderung: Keine festen Büro- und Arbeitszeiten, Tonnen an Ablenkungsmöglichkeiten, der Kühlschrank direkt um die Ecke, kein direkter Kontakt zu den Kollegen… Heute kann ich mir kein anderes Arbeitsleben mehr vorstellen.

Die Corona-Krise bedeutet für viele ein Zwangs-Home-Office, ob sie wollen oder nicht. Um den Übergang ein bisschen leichter zu machen, gibt es ein paar einfache Regeln und Tipps:

1. Reguläre Arbeitszeiten

Ich arbeite von zuhause, feste Arbeitszeiten können mir egal sein. Oder? Grundsätzlich schon, vor allem, wenn es keine Telefonkonferenzen oder festgelegten Online-Arbeitstreffen gibt. Für mich persönlich aber sind reguläre Arbeitszeiten wichtig, um den Tag zu strukturieren und mich selbst zu disziplinieren. Wer zuhause arbeitet, unterliegt vielen Versuchungen. Egal wie sehr wir unseren Job mögen, es gibt immer Aufgaben, die wir nicht so gerne erledigen. Und plötzlich ist der sonst so verhasste Abwasch viel interessanter. Die Wäsche müsste auch gemacht werden. Und sind das Krümel? Ich könnte ja mal schnell saugen. Feste Zeiten für Arbeit und Pause zu definieren, hilft diesen „Versuchungen“ zu wiederstehen.

Ich zum Beispiel bin kein Frühaufsteher und so ist mein Arbeitsbeginn um 9 Uhr. Nach 2-3 Stunden mache ich eine kurze Pause. Dann arbeite ich bis ca. 14 Uhr und habe eine späte, dafür aber lange Mittagspause von zwei Stunden. Dafür arbeite ich dann abends länger. Jeder kennt ungefähr seinen Biorhythmus und ein Vorteil des Home-Office ist es, dass man seine Arbeitszeit entsprechend ausrichten kann. Wer gerne früh aufsteht, kann direkt anfangen und muss nicht auf die offiziellen Büroöffnungszeiten warten und hat dafür früher Schluss. Wer eine Nachteule ist und dafür morgens nicht aus dem Bett kommt, verbringt nicht mehr die erste Stunde der Arbeit im Halbschlaf, weil nun einmal 8:30 Uhr Dienstbeginn ist, sondern kann etwas später anfangen. Mein Tipp: Feste Arbeitszeiten, aber entsprechend des eigenen Rhythmus. Wer allerdings mit einem Rhythmuswechsel nicht zurecht kommt, sollte die alten Bürozeiten beibehalten. Irgendwann müssen die meisten schließlich wieder zurück ins Büro.

2. Dress-Code

Anzug oder Rock und Blazer? Bye bye! Der Dress-Code für zuhause ist entspannter. Ja, ich verfalle hin und wieder gar der Versuchung im Schlafanzug zu arbeiten… Es ist wahnsinnig einfach, sich zuhause gehen zu lassen – für den eigenen Geisteszustand ist das auf Dauer aber nicht so toll. Sich anziehen ist Teil einer Selbstfürsorge und schafft notwendige Routinen.

Was also ist die richtige Garderobe für die Arbeit zuhause? Ich weigere mich, mich in Sachen zu zwängen, die zwar gut aussehen, aber absolut nicht bequem sind. Das mache ich für Terminen außer Haus oder – unter normalen Umständen – wenn ich ausgehe. Für mein Home-Office habe ich eine bequeme Arbeitsgarderobe. Das heißt bequeme Stoffhosen und lockere Blusen, Leggings und Strickkleid, Strickjacken zum Überwerfen. Athleisure ist eine andere Möglichkeit. Meine Daumenregel: Bequem, aber so, dass ich dem Postboten ohne Sorge die Tür aufmachen kann und mich vor einem Skype-Call nicht komplett umziehen muss (meine Hose sieht unter dem Tisch eh keiner).

3. Regelmäßige Mahlzeiten statt Dauer-Snacken Ja, die Schokolade im Kühlschrank ist verführerisch. Und waren da nicht noch irgendwo Kekse. Ich habe jetzt auch gar keine Lust zu kochen, vielleicht kann ich mir da jetzt schnell ein paar Snacks gönnen und später essen…

Diesen inneren Monolog höre ich täglich und die Versuchung ist wahnsinnig groß, wenn es keine festen Pausenzeiten gibt (siehe Punkt 1). Um nicht den ungesunden Versuchungen zu verfallen, ist es wichtig auch zuhause feste Essenszeiten einzuhalten. Wer gerne ein warmes Mittagessen isst, muss nicht jeden Tag kochen. Ich zum Beispiel koche am Wochenende oft mehr, um es mir dann während der Woche aufzuwärmen. Salate sind auch immer gut oder halt die klassische Scheibe Brot. Ein Snack ab und zu ist natürlich ok, sollte aber nicht die regelmäßigen Mahlzeiten ersetzen.

4. Arbeiten und Leben voneinander trennen Wer von zuhause arbeitet, sollte trotzdem Arbeit und Privatleben voneinander trennen. Am besten mit Arbeitszimmer oder – falls der Platz fehlt – mit einem designierten Arbeitsbereich im Wohn- oder Schlafzimmer. In letzterem Fall macht es Sinn, den Arbeitsbereich nach Feierabend aufzuräumen und alle Unterlagen wegzupacken.

Ich habe ein separates Büro, aber gerade wenn ich viele Unterlagen sichten muss, liebe ich es, an meinem Küchentisch zu arbeiten. Der ist so schön groß, da kann ich mich ausbreiten. Räume ich die Sachen aber abends nicht weg, habe ich ein Problem: Ich habe einen offenen Wohnbereich, bei dem Küche und Wohnzimmer ineinander übergehen. Liegen meine Unterlagen abends noch auf dem Tisch, schaffe ich es nie, wirklich zu entspannen. Es funktioniert einfach nicht, ein Buch zu lesen oder Fernsehen zu gucken, wenn einen das halb-erledigte Projekt anklagend vom Küchentisch aus anstarrt. Hut ab, für alle, die das ignorieren könne. Für alle anderen gilt: Die Arbeit hat nach Feierabend im Privatbereich nichts mehr zu suchen.

5. Bewegung ist wichtig Wer jeden Tag ins Büro geht oder fährt, bekommt automatisch ein wenig frische Luft und Bewegung. Und wenn es nur der kurze Weg zum Auto oder zur Straßenbahn ist. Oft genug geht es dann in der Mittagspause auch noch einmal kurz raus oder nach Feierabend in den Supermarkt. Das ist nur ein Minimum an Bewegung und bei einem Bürojob immer noch nicht auseichend, um wirklich gesund zu sein.

Nun sind wir aber in der Situation, dass wir – zum Teil unter Quarantäne und ohne die Chance nach draußen zu gehen – von zuhause arbeiten. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage: Nichts ist schlechter für die mentale Gesundheit, als wenn die einzige Bewegung der Weg von der Kaffeemaschine zum Schreibtisch ist. Bewegung und frische Luft sind entscheidend für das mentale Wohlbefinden – und damit auch für die Konzentrationsfähigkeit.

Normalerweise gehe ich entweder in der Mittagspause oder abends spazieren oder verbringe Zeit im Dachgarten. Es gibt Tage, an denen ich das vergesse oder so gestresst bin, dass ich denke, ich habe dafür keine Zeit. Ein, vielleicht zwei Tage ist das ok, aber dann fällt mir die Decke auf den Kopf.

Wer einen Balkon – oder noch besser einen Garten hat – sollte also Zeit draußen einplanen. Alternativ: Fenster weit aufmachen! Und statt Fitnessstudie gibt es viele Möglichkeiten, auch zuhause Sport zu machen. Klassisches Workout, Yoga, Pilates, Musik aufdrehen und durch das Wohnzimmer tanzen… Youtube ist da eine Fundgrube: Wer selbst keine Idee hat oder einen Trainer braucht, um sich zu motivieren, findet hier alles was er oder sie braucht – vom Anfängertraining für Yoga-Neulinge bis hin zu 60min schweißtreibendem Training.

6. Kind und Kegel An dieser Stelle kann ich nicht wirklich einen Tipp liefern. Ich habe mein Home-Office für mich alleine und kann mir meine Arbeit so einrichten, wie es mir passt. In der momentanen Situation, wenn nicht nur die Eltern versuchen von zuhause zu arbeiten, sondern auch die Kinder zuhause sind, ist die Koordination von Beruf und Familie doppelt schwierig. Wer einen Partner hat, kann sich ggf. in der Kinderbetreuung abwechseln: Der eine arbeitet vormittags, der andere nachmittags, während der Partner oder die Partnerin die Kinder bespaßt. Für Alleinerziehende ist das unmöglich.

Das heißt: In den nächsten Wochen sind Unternehmen und Chefs gefragt, die ein wenig Rücksicht auf die Mitarbeiter mit Familien nehmen, Arbeitszeiten flexibler gestalten und Verständnis haben, wenn der Fünfjährige gerade das Wohnzimmer zerlegt, die Siebenjährige ihr Einhorn nicht finden kann und die Dreijährige die 599. Frage zu Dinosauriern hat.

7. Sei diszipliniert, aber nicht zu streng zu dir selbst Natürlich verleitet das Home-Office dazu, nicht alle Regeln zu befolgen, die im Büro gelten. Da verschiebt sich mal die Pausenzeit oder man hat tatsächlich morgens keine Lust zu duschen und arbeitet bis Mittag im Schlafanzug. Disziplin und Routine sind beim Home-Office wichtig, aber man sollte auch nicht zu streng mit sich sein. Regelbrüche sind erlaubt und wenn mal ein Tag nicht so läuft, der Abwasch interessanter ist als die Kalkulation, dann braucht man auch kein schlechtes Gewissen haben. Für mich hat es ewig gedauert, das zu akzeptieren. Am Anfang meiner Selbstständigkeit kam ich mir wahnsinnig faul vor, wenn ich nicht 8-10 Stunden am Computer verbracht habe – selbst wenn gerade alles abgearbeitet ist. Heute weiß ich, dass das eine der besten Sachen am Home-Office ist: Wenn gerade nichts zu tun ist, kann man sich auch während der „Arbeitszeit“ privaten Dingen widmen und starrt nicht – wie im Büro – gelangweilt drei Stunden auf den Bildschirm.

Also: Bleibt entspannt!

* Wir legen Wert auf Gleichberechtigung und ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb beziehen wir unsere Personenbezeichnungen, egal in welcher Schreibweise auf alle Geschlechter.