Energiekrise: Ein Risiko für den Arbeitsmarkt?

Die meisten von uns spüren es bereits im Privatleben: Alles scheint teurer zu werden, insbesondere die Energiepreise scheinen kaum noch bezahlbar – und dabei ist der Winter noch nicht einmal da und die Heizungen blieben bislang aus. Doch insbesondere der steigende Gaspreis hat nicht nur Einfluss auf unsere Heiz- oder Stromkosten, sondern könnte sich auch negativ auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt auswirken. Davon geht zumindest das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln aus. Das arbeitgebernahe Wirtschaftsinstitut liefert seit 1952 Analysen und Berichte zu aktuellen Entwicklungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. In einer ihrer neuesten Untersuchungen heißt es: Bis Ende des kommenden Jahres könnten aufgrund der Energiepreise rund 337.000 Menschen ihren Job verlieren.

Gasherd

Tatsächlich ist die Inflation auf einem Rekordhoch und allein im Juli stiegen die Energiepreise um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ähnliches gilt für andere lebenswichtige Bereiche: Lebensmittel zum Beispiel. Das Phänomen lässt sich nicht nur in Deutschland beobachten, sondern auch in den europäischen Nachbarstaaten. So warnte jüngst der belgische Premierminister, die nächsten fünf bis zehn Winter könnten schwierig werden. Einigen Sektoren werde es schwerfallen, mit den hohen Energiepreisen umzugehen.

Russischer Angriff auf die Ukraine als Auslöser

Einer der Hauptgründe für die Energiekrise ist der russische Angriff auf die Ukraine und der andauernde Krieg. Deutschland hat sich stark von russischen Gaslieferungen abhängig gemacht – rund 40 Prozent kommt normalerweise aus Russland – und Russland hat die Gaslieferungen gedrosselt und so die Gaspreise für Unternehmen und Privatleute in die Höhe getrieben. Inzwischen gibt es Sorgen, dass einige Länder in der EU ihre Gasversorgung im Winter nicht länger sicherstellen können. Die steigenden Gaspreise betreffen dabei auch Länder, die längst nicht so stark vom russischen Gas abhängig sind, denn dank der Engpässe ist der Gaspreis auf dem Weltmarkt insgesamt in die Höhe geschossen. Ein Blick auf Belgien zeigt beispielsweise, dass das Land gerade einmal 6,5 Prozent des Gasbedarfs aus Russland deckt, doch sind auch hier die Preise stark gestiegen.

In Frankreich ist das russische Gas bereits abgestellt und auch hier wurde im Vergleich zu Deutschland grundsätzlich ein deutlich geringer Teil des Gasbedarfs aus russischer Gasförderung gedeckt – etwa 17 Prozent. Frankreich bezieht den größten Teil seiner Gaslieferung aus einer Pipeline aus Norwegen und verfügt über drei Flüssiggas-Terminals, an denen Tanker Gas anliefern können. Auch bezieht Frankreich einen Großteil seines Stroms (70%) aus der Atomenergie und nicht aus Gaskraftwerken. Hier gibt es aber bereits das nächste Problem: Ein Großteil der Reaktoren steht derzeit still und angesichts der Dürrperiode wird sich das auch nicht ändern, bzw. sogar verschlimmern: Die Kraftwerke brauchen Flusswasser für die Kühlung, doch sind vielerorts die Wasserstände in den Flüssen viel zu niedrig, die Energieproduktion damit gefährdet.

Gaspreisbremse als Lösung?

Länder wie Frankreich, Spanien und Portugal haben sich dazu entschlossen, ihre Gaspreise zu deckeln und haben sich dafür unter anderem die nötige Erlaubnis der EU-Kommission eingeholt. Frankreich ergriff die Maßnahme bereits im letzten Herbst – vor der eigentlichen Krise – und hat sie jetzt noch einmal verlängert. Im Juni erteilte die EU-Kommission auch Spanien und Portugal die Erlaubnis, die Preise für ein Jahr lang künstlich niedriger zu halten.

Deutschland hat sich jüngst zu einer Gaspreisumlage entschlossen, die es Energieversorgern erlaubt,  ab 1. Oktober bis April 2024 eine Gasumlage von 2,4 Cent zu erheben, um die höheren Gaspreise am internationalen Markt bezahlen zu können. Das betrifft die Verbraucher. Um aber die Verbraucher zu entlasten, die ohnehin schon unter den hohen Gaspreisen leiden, soll zeitgleich die Mehrwertsteuer auf Gas von 19% auf 7% gesenkt werden. Kritiker allerdings sehen darin keine Lösung und befürworten das Modell der europäischen Nachbarn, die eine Gaspreisbremse eingeführt haben.

Gaspreise als Inflationstreiber

Die Energiekrise könnte sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken, wenn die Preise weiter steigen

Zurück aber zum Arbeitsmarkt. Was bedeutet das alles für die Wirtschaft und Arbeitnehmer*innen? Werden die Gas- und Ölpreise im Herbst und Winter noch einmal teurer, so das Institut der Deutschen Wirtschaft, dann dürfte das die Inflation weiter antreiben. Realistisch sei dabei eine Inflation um einen Prozentpunkt 2022 und gar um vier Prozent im Jahr 2023. Aufgrund dieser Berechnung gibt das IW eine entsprechend düstere Prognose für den Arbeitsmarkt: Sollten die Energiepreise sich im dritten Quartal 2022 verdoppeln, dann würde das für rund 30.000 Menschen einen Jobverlust bedeuten. 2023 könnte es dann insgesamt 307.000 Arbeitnehmer*innen betreffen.

Und das Frustrierende für Verbraucher*innen und Unternehmen gleichermaßen: Die Energiepreise und die Preise für die Rohstoffe Gas und Öl werden mittelfristig hoch bleiben und es gibt kaum etwas, das sie dagegen tun können. Wer die finanziellen Mittel hat, kann auf alternative Heizmethoden umstellen oder in erneuerbare Energien investieren – in die Nutzung von Abwärme zum Heizen, zum Beispiel. Einige gute Beispiele gibt es dafür bereits: So nutzt das Lechtalbad im bayerischen Kaufering zum Heizen die Wärme aus einer Biogasanlage und eine Schule bei Hannover nutzt die Abwärme einer Müllverbrennungsanlage zum Heizen. Während Unternehmen und Verbraucher*innen die hohen Energiepreise kurzfristig hinnehmen müssen, sollten Unternehmen über langfristige Strategien nachdenken und kreativ werden.

Und um das ganze positiv zu enden: Vielleicht ist die Energiekrise genau der richtige Schub, den es braucht, um endlich wirklich innovative Lösungen für unseren Energiebedarf zu entwickeln und voranzutreiben.

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